Abendblatt-Serie, Teil 4: Wie Fanbetreuer und Organisator Torsten Lucht mit den HSV-Handballern in die Moderne aufbrach.

Hamburg. Bei der Frage nach einem normalen Arbeitstag gerät Torsten Lucht zum ersten Mal ins Stocken. "Eigentlich ist kein Tag wie der andere", sagt er nach einiger Überlegung. Das sei ja das Schöne an seinem Job. "Organisation und Fanwesen" steht auf seiner Visitenkarte der HSV Handball Betriebsgesellschaft. "Mann für alle Fälle" hätte es wohl besser getroffen.

Fanbetreuung, Teamkoordination, Reiseplanung, Passwesen, Hallenauf- und -abbau - bei Lucht, 37, laufen viele Fäden zusammen. Und wenn er sagt, dass ihm der neue deutsche Meister eine Herzensangelegenheit sei, dann ist das keine Phrase. Seit der D-Jugend spielte Lucht für den Mutterverein VfL Bad Schwartau, erst vor zwei Jahren beendete er seine aktive Karriere als Torhüter der vierten Herren. Mit dem Fanklub Blau-Weiß kümmerte er sich einst um den Aufbau in der Lübecker Hansehalle, im Gegenzug stellte der Verein einen Bus für Auswärtsfahrten bereit. Vor elf Jahren dann öffnete ihm seine BWL-Diplomarbeit die Tür zur Geschäftsstelle. Titel: "Vom klassischen Sportverein zum modernen Dienstleister".

Kaum jemand hat diesen Wandel bewusster erlebt als Lucht. "Alle drei Zeitalter" habe er mit dem HSV mitgemacht. Die Schwartauer Vorgeschichte, als alles noch ein bisschen familiärer zugegangen sei. Die frühen Hamburger Jahre nach dem Umzug 2002, die von sportlichen Misserfolgen und wirtschaftlichem Chaos gekennzeichnet waren. Und schließlich die glanzvolle Neuzeit, die im deutschen Meistertitel und einem Zuschauerrekord gipfelte.

Vor allem Letzterer ist auch Luchts Erfolg. Jahrelang gab er den Stimmungsmacher in der Halle, oft hat man ihn wild rudern sehen oder mit dem Lautsprecher Gesänge anstimmen. Für diese 60 Spielminuten vergesse er, dass er schon sieben Stunden zuvor als Erster in der Halle war, um die Aufstellung der Werbebanden zu koordinieren, und dass nach dem Abpfiff noch ein Berg Arbeit auf ihn warte. Für diese 60 Spielminuten ist er wieder "Luchti", der Handball-Verrückte. "Dann schalte ich in den Fan-Modus um."

Heute brodelt der Hexenkessel O2 World fast von allein. Anderes liegt mittlerweile in professionellen Händen. Dass Lucht beim Umzug neuer HSV-Spieler selbst den Möbelwagen fährt wie einst bei Torsten Jansen, das sei heute nicht mehr vorstellbar, erzählt er. Vorbei auch die Zeiten, in denen Lucht für jede Buchung Bargeld auf den Tisch legen musste. An der Zahlungsfähigkeit des HSV gebe es zum Glück keinen Zweifel mehr.

Am Saisonende, wenn der Vertrag von Co-Trainer Goran Stojanovic ausläuft, wird Torsten Lucht der letzte Geburtshelfer beim HSV sein. Im vergangenen Jahr zog er von seiner Heimatstadt Lübeck nach Hamburg und mit seiner Freundin zusammen. Die Schiedsrichterkarriere will er langsam ausklingen lassen, um mehr Zeit fürs Private zu haben. Langweilig wird ihm schon nicht werden.

Teil 5: Lesen Sie morgen: Physiotherapeut Niklas Albers, der Fitmacher