In der Stunde des Triumphs denken die HSV-Handball-Pioniere an die schwierigen Anfänge zurück

Hamburg. Auf dem Weg von der Kabine zum Mannschaftsbus des VfL Gummersbach hielt Adrian Wagner in den Gängen der O2 World noch einmal inne. Er stellte sich vor, wie es wäre, wenn er, der einzige echte Hamburger auf dem Feld, noch immer für den HSV spielen würde, so wie damals in der Premierensaison 2002/03. Wenn er jetzt im Innenraum tanzen und singen würde vor Freude über die erste deutsche Meisterschaft, umtost vom Jubel von 13 000 Fans. Das sei vielleicht ein vermessener Gedanke, sagte Wagner, 33, aber er käme unweigerlich. "Wahnsinn, was hier in neun Jahren passiert ist. Es ist wunderschön zu sehen, wie Hamburg den Handball angenommen hat."

Mit den Anfängen hatten die Szenen, die sich an diesem stimmungsvollen Mittwochabend abspielten, nur wenig zu tun. Damals spielte der HSV meist vor leeren Rängen, die Leistungen waren schwankend, die Atmosphäre mau und die wirtschaftliche Lage hoffnungslos. Arena-Geschäftsführer Uwe Frommhold, der das entscheidende Spiel vor Aufregung nur auf dem Bildschirm in seinem Büro verfolgte, rief sich zu später Stunde inmitten des Trubels im VIP-Raum ein Spiel gegen Flensburg im Oktober 2004 ins Gedächtnis. 8700 Zuschauer warteten auf den Anpfiff, doch der HSV hatte die Hallenmiete nicht bezahlt und die Mannschaft seit Monaten kein Gehalt bekommen. Das Spiel stand auf der Kippe, bis Bertrand Gille seine Mitspieler schließlich mit einem flammenden Appell aufs Feld getrieben habe.

"Immer wenn ich die Gilles sehe und Torsten Jansen, muss ich daran denken, was wir damals zusammen für eine Scheiße erlebt haben", erinnerte sich Kapitän Pascal Hens in der Stunde des größten Triumphs. Nicht nur von ihm fiel nach dem 35:30-Sieg, den gefühlt längsten 60 Minuten der Vereinsgeschichte, "ein riesiger Ballast ab". Sein Rückraumkollege Marcin Lijewski genoss den Moment fast andächtig: "Ich war zunächst zu müde, das Spiel war eine Qual und hat sich ohne Ende hingezogen", sagte er. "Wir haben so lange und hart dafür gekämpft. Nun brauchen wir sicher alle ein wenig Zeit, um diesen Erfolg zu realisieren." Sie werden diese Zeit bekommen. Gestern hob die Mannschaft zu einem als Trainingslager getarnten Kurzurlaub nach Mallorca ab.

Adrian Wagner trat derweil etwas schwermütig die Heimreise ins Oberbergische an. Gern hätte er dem HSV den Titelgewinn noch ein bisschen schwerer gemacht. Doch letztlich könne sich der VfL über eine Niederlage mit fünf Toren Differenz auch nicht beklagen. Und immerhin seien sie die Ersten gewesen, die dem neuen deutschen Meister gratulieren konnten.

Der Linksaußen kann sich gut vorstellen, dass es dazu künftig noch weitere Anlässe gibt: "Mit dieser Mannschaft kann der HSV die nächsten zwei, drei Jahre dominieren."