Dem HSV fehlt nur noch ein einziger Sieg zur Meisterschaft, weil Verfolger THW Kiel in Magdeburg verlor. Stichtag am kommenden Mittwoch?

Mannheim. Handballer, das wird sich wohl nie ändern, dürstet es nach getaner Arbeit nach Bier. Gleich zwei Kisten des Gebräus wurden am Dienstagabend in die Kabine des HSV Hamburg gerollt, und es dürfte der Mannschaft im Rausch des 31:27-Sieges bei den Rhein-Neckar Löwen vorzüglich bekommen sein. Der Tabellenführer hatte auch die letzte schwere Prüfung der Bundesligasaison mit Auszeichnung bestanden. Natürlich machte kein Hamburger den Fehler, sich auch nur in der Nähe einer Sektflasche sehen zu lassen. Vier Spieltage vor dem Ende fehlten schließlich noch vier Punkte zum größten Wurf der Vereinsgeschichte, auch wenn er sich an diesem Dienstag sehr konkret anfühlte.

24 Stunden später rückte er plötzlich ganz nahe. Der THW Kiel, der letzte verbliebene Konkurrent, gab seinen Widerstand endgültig auf. Die demütigende 24:30-Niederlage des Titelverteidigers beim SC Magdeburg bescherte dem HSV vier Matchbälle. Bereits am Mittwoch kann die deutsche Meisterschaft mit einem Sieg im Heimspiel gegen den VfL Gummersbach urkundlich werden (20.15 Uhr, O2 World).

Glückwünsche aber nahm Hamburgs Trainer Martin Schwalb gestern nur zu seinem 48. Geburtstag entgegen. Die Kieler Niederlage hatte er im Kreis seiner Familie am Fernseher verfolgt. "Man hat gesehen, dass die Magdeburger ausgeruht waren, während den Kielern die Belastung der Champions League in den Knochen steckte." Was Schwalb respektvoll verschwieg: dass seine eigene Mannschaft derlei Formschwankungen zuletzt eben kaum erleben musste. Sie mag am Sonnabend in Tschechow weniger gefordert gewesen sein als der THW tags darauf gegen Barcelona. Und doch tat sich gegen die Rhein-Neckar Löwen ein Klassenunterschied auf. "Wie wir nach 15 Minuten den Turbo gezündet haben und die Gegenstöße gelaufen sind, das war meisterlich", sagte Torwart Johannes Bitter.

Die "schwerste Rückrunde aller Zeiten", vor der Schwalb nimmermüde gewarnt hatte, war damit zu einem machbaren Restprogramm zusammengeschrumpft: Gummersbach und Lemgo zu Hause, Friesenheim und Balingen auswärts. Von den vier Spitzenspielen hat der HSV die in Berlin, Flensburg und Mannheim souverän gewonnen. Einzig Titelverteidiger Kiel konnte die Hamburger beim Aufstieg zum Gipfel etwas aus dem Tritt bringen, nicht aber entscheidend aufhalten. Nun können sie sich nur noch selbst schlagen.

Das Restrisiko besteht in einem plötzlichen Druckabfall nach den vielen Höhepunkten. Diese Sorge trieb wohl Linksaußen Torsten Jansen um, als er warnte, dass "die kommenden Spiele viel schwerer" seien. Man habe ja in der Vergangenheit schon sensationelle Dinge erlebt im Handball: vergangene Saison die Kieler Niederlage in Balingen, wo der HSV zum Saisonabschluss antreten muss. Und gegen Gummersbach verwarfen die Hamburger im Vorjahr selbst die Meisterschaft. Aber vier Wunder folgen auch im Handball selten unmittelbar aufeinander.

Um die Bodenhaftung des HSV braucht sich jedenfalls niemand zu sorgen. Sollten spät in der Nacht zu gestern im Teamhotel doch die Sektkorken geknallt haben, wäre das kein Übermut. Die Mannschaft beging gemeinsam Schwalbs Geburtstag..