Hamburg. Die Freude über das erstaunlich souveräne 80:74 (23:19, 16:18, 15:8, 26:29) gegen den Tabellenvierten EWE Baskets Oldenburg währte bei Spielern, Trainern und Geschäftsführern nur kurz, am Morgen danach richtete sich der Fokus der Hamburg Towers schon auf das Spiel am Montag (20.30 Uhr, MagentaSport) bei Aufsteiger Niners Chemnitz (12.). „Unsere Reise ist längst nicht zu Ende“, hatte Chefcoach Pedro Calles zuvor gemahnt, „wir haben noch einige komplizierte Aufgaben vor uns, die nächste in fünf Tagen.“
Es passt zu den Auftritten von Hamburgs derzeit erfolgreichster Mannschaft, den Blick nach vorn zu richten, nie zurück. „Die Vergangenheit, irgendwelche Meriten zählen nicht, Sport findet immer in der Gegenwart statt“, sagt dann auch ganz im Sinne seines spanischen Trainers US-Spielmacher T.J. Shorts (23), der gegen Oldenburg 22 Punkte erzielte, seine persönliche Bestmarke einstellte.
Calles-Team kann noch Fünfter werden
Dabei war der neunte Erfolg in Serie für die Wilhelmsburger ein historischer in der Basketball-Bundesliga (BBL). Erstmals in ihrer kurzen Vereinsgeschichte nach der Gründung im Sommer 2013 stehen sie in den Play-offs um die deutsche Meisterschaft, die Mitte Mai mit dem Viertelfinale beginnen. Als Tabellensechster (19:9 Siege) müssten sie sich Stand heute in maximal fünf Duellen mit dem FC Bayern München (3./23:7) messen.
Dass der Abstiegskandidat und bei Abbruch Tabellenletzte der vorigen Saison in einem Jahr zur respektierten Größe in der BBL aufsteigt, damit hatte selbst bei den Towers niemand gerechnet. „Die Play-offs waren zu keinem Zeitpunkt unser Ziel. Dass uns jetzt sechs Spieltage vor dem Ende der Punktrunde ein Platz unter den ersten acht selbst theoretisch nicht mehr zu nehmen ist, lag lange außerhalb unserer Vorstellungen“, sagt Sportchef Marvin Willoughby.
Nicht-Abstiegsprämien wurden ausgehandelt
Ein Indiz dafür, wie der aktuelle Erfolg die Towers überraschte, ist dass nach Abendblatt-Informationen mit Spielern und Trainern vor der Saison nur Nicht-Abstiegsprämien vertraglich vereinbart wurden, jedoch keine Boni für das Erreichen der Endrunde oder gar für den Gewinn der Meisterschaft. Mit Sponsoren und Partnern waren dagegen schon in der Vergangenheit ebendiese Extrazahlungen ausgehandelt worden, zumindest bei mehrjährigen Kontrakten; schließlich wollten die Towers mittelfristig immer dorthin, wo sie heute stehen – und noch ein Stück höher hinaus.
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Die Rasanz der sportlichen Entwicklung hatte selbst Trainer Calles wohl nicht erwartet, seine Verpflichtung geriet jedoch zum Schlüssel des Erfolgs. „Als ich bei unserer ersten Begegnung das Feuer in seinen Augen sah, wusste ich, das ist unser Mann. Der kann uns weiterhelfen“, erzählt Willoughby. Er sollte recht behalten.
Mit mannschaftlicher Geschlossenheit zum Erfolg
Calles formierte mit Willoughby eine neue Mannschaft, die das Wir über das Ich stellt, die mit Max DiLeo (28) auf dem Feld und dem momentan rekonvaleszenten Bryce Taylor (34) auf der Bank zwei Kapitäne als Anführer hat, die diese Maxime im Training und im Spiel vorleben.
Ein Team ist immer nur dann mehr als die Summe seiner einzelnen Mitglieder, wenn sich jeder als ein Teil des Ganzen versteht. Die Towers sind inzwischen diese außergewöhnliche Mannschaft, die sich nur über die Gruppe definiert.
Towers haben gelernt, enge Spiele zu entscheiden
Hatte das Team anfangs Probleme, die vor allem in der Defense geforderte Intensität über 40 oder 45 Minuten bei Verlängerung durchzuhalten, ist das ständige Penetrieren der Gegenspieler zum Qualitätsmerkmal der Towers geworden.
Kein Team verteidigt in der BBL besser als sie, gewinnt mehr Bälle durch Steals, die Hamburger erkämpfen sich dadurch regelmäßig zusätzliche Angriffsoptionen. „Trust the System!“, vertraue dem System, sagt Willoughby, „diese Erkenntnis musste wachsen und in die Köpfe der Spieler.“ Mit jedem Sieg ist dieses Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gestiegen. Ende offen.
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