Beim Auftaktsieg gegen Portugal werden sich immer noch viele Fans bei der Einwechslung des Spielers mit der Nummer 21 verwundert die Augen gerieben haben. Jetzt ist Shkodran Mustafi Startelf-Kandidat.

Santo André. Eigentlich würde Shkodran Mustafi gerade auf Ibiza in irgendeiner Strandbar wie viele andere Fans die Fußball-WM verfolgen. Aber jetzt ist der 22 Jahre alte Abwehrspieler mittendrin in Brasilien – und beim 4:0 gegen Portugal ging für den jungen Fußball-Profi sogar „ein Traum in Erfüllung“. Als Mats Hummels verletzt vom Platz humpelte, wechselte Joachim Löw den Abwehrspieler von Sampdoria Genua zur allgemeinen Verblüffung als rechten Verteidiger ein – und nicht den international viel erfahreneren Dortmunder Kevin Großkreutz.

Zwar ging Mustafi davon aus, dass er ohnehin die erste Option des Bundestrainers bei einem Wechsel in der Defensive war, aber im Moment seines WM-Debüts war auch der Nordhesse selbst verblüfft. „Ein bisschen muss man das erstmal alles verdauen und verstehen“, gestand er nach der Partie in Salvador. Mustafi erlebt im WM-Sommer eine emotionale Achterbahnfahrt.

Nach dem Trainingslager in Südtirol berief ihn der Bundestrainer nicht in den 23-Mann-Kader für die WM. Und dann saß er am Pfingstwochenende doch im Flieger nach Brasilien, weil sich der Dortmunder Marco Reus beim letzten WM-Test gegen Armenien am Fuß verletzte. Im ersten WM-Spiel stand er von der 73. Spielminute an auf dem Platz, als rechter Verteidiger, als Gegenspieler von Weltfußballer Cristiano Ronaldo. „Für mich stand nicht im Vordergrund, die Aktionen gegen Ronaldo zu zählen“, bemerkte Mustafi: „Ich wollte einfach der Mannschaft helfen.“

„In Deutschland bin ich Mr. Unbekannt“

Daheim in Deutschland dürften sich immer noch viele Fußballfans verwundert die Augen gerieben haben, als am Spielfeldrand die Tafel mit der Nummer 21 hochgehalten wurde. Shkodran wer? „In Italien bin ich ein bisschen zum Fanliebling gereift, in Deutschland bin ich Mr. Unbekannt“, sagte der Innenverteidiger von Sampdoria Genua gerne.

Löw hatte den Wahl-Italiener schon länger im Visier. Schließlich hat Mustafi alle Junioren-Nationalmannschaften des DFB durchlaufen. 2009 wurde er mit der U17 Europameister – an der Seite von Mario Götze. „Für einen jungen Spieler bei dem größten Turnier dabei zu sein, ist eine Riesenerfahrung“, schwärmte Mustafi. So sagte er schon nach seiner Nachnominierung für Pechvogel Reus: „Es war nicht schlimm, den Ibiza-Urlaub abzusagen.“

Das Erstaunen war zunächst groß, als Löw für den Angreifer Reus den Verteidiger Mustafi nachnominierte. Doch nach den Blessuren von Mats Hummels (Oberschenkelprellung) und Jérome Boateng (Daumen) macht die zusätzliche Abwehroption plötzlich Sinn. Mustafi muss jetzt sogar als erste Option für die Startelf gegen Ghana angesehen werden, sollte Boateng bei einem zu erwartenden Ausfall von Hummels am Sonnabend in Fortaleza gegen Ghana wie schon gegen Portugal von der rechten Seite ins Zentrum rücken müssen.

Shkodran wer? Die Frage könnte in Brasilien auch für Fußball-Laien ein für allemal beantwortet werden. Einstweilen lautet die Antwort noch so: Der in Bad Hersfeld geborene Sohn albanischer Eltern war aus der Jugend des HSV mit 17 Jahren nach England zum FC Everton gewechselt. Zu Jahresbeginn 2012 ging er ablösefrei zum damaligen italienischen Zweitligisten Sampdoria Genua. Er schaffte mit dem Club den Aufstieg in die Serie A, behauptete sich gegen Stürmer wie Miroslav Klose. Und jetzt ist er nicht auf der Party-Insel Ibiza, sondern spielt in Brasilien seine erste WM. „Das muss man erstmal realisieren“, sagte Mustafi selbst über sein Fußball-Märchen.