Durchsetzungsvermögen, Leidenschaft, Fachkompetenz. Das ist der Job des Live-Kommentators. Eine Männerdomäne, gerade im Fußball. Eigentlich.

Köln. Martina Knief sitzt auf der Pressetribüne der Commerzbank Arena, dem Stadion der Frankfurter Eintracht. Auf einem kleinen Tisch vor ihr liegen ein Aufnahmegerät, ein Kopfhörer und zahlreiche Kabel. Ein kleiner Fernseher rechts von ihr zeigt Spielszenen des vergangenen Spieltages. Mit dem Aufnahmegerät kann sich Martina Knief in den hessischen Rundfunk einwählen und ihren Live-Kommentar abgeben. Ihre blaue Jacke hat sie auf den Stuhl neben sich gelegt. Auf dem Boden liegen Papierschnitzel. Luxus sieht anders aus. Zwei Sitzreihen tiefer guckt der Kollege von Sky in zwei große Fernseher und haut wild in die Tasten seines Laptops. Fernsehen war schon immer lukrativer. Doch darum geht es Martina Knief nicht. Das Radio ist ihre Passion.

Stellt man Martina Knief Fragen, antwortet sie direkt, fast schon ein bisschen beleidigt: „Nein, so ist das nicht“ oder „Wie kommen Sie auf die Idee?“. Martina Knief weiß sich durchzusetzen. Gerade gegen Männer. Sie und Sabine Töpperwien vom WDR sind die einzigen Live-Kommentatorinnen in ganz Deutschland. In der heutigen Zeit, in der Frauen eine ganz neue Rolle im Fußball einnehmen, verwundert das. Frauen sind im Fußball allgegenwärtig, sei es als Nationalspielerin, als Moderatorin im Fernsehen oder als mitfiebernder Fan am Spielfeldrand. Doch nicht als Kommentatorin.

Das hat einen einfachen Grund, weiß die 45-jahrige: „Man muss das als Frau wollen. Als Fernsehchef kann ich sagen, du wirst jetzt meine Moderatorin oder du machst für mich die Interviews. Wie Jessica Kastrop oder Monica Lierhaus. Aber als Reporter, da musst du Leidenschaft mitbringen. Du kannst nicht sagen, jetzt werd ich mal Live Kommentatorin und wenn das nicht klappt, moderiere ich halt. Da muss man Talent haben und sich durchsetzen. Gerade gegen die Männer. Es gibt nicht genügend Frauen, die diesen Weg gehen wollen. Viele trauen sich das auch nicht zu.“ Und das, obwohl der Frauenanteil in der Sportbranche angestiegen ist. Das Kommentieren bleibt eine Männerdomäne. Auch im Hinblick auf die Frauenfußballweltmeisterschaft in diesem Jahr. Da werden die Frauen Fußballspielen und die Männer kommentieren: „Ich wünsche mir mehr Frauen als Kommentatorinnen, sehr sogar. Aber es muss neben dem Fachwissen große Leidenschaft bei ihnen vorhanden sein“, meint sie.

Anpfiff. Das Spiel läuft. Aufmerksam beobachtet die Reporterin jeden einzelnen Ballkontakt und macht sich mit einem Bleistift Notizen. Nach fünf Spielminuten hat sie ihren ersten Einsatz. Zwei Minuten am Stück kommentieren. Live. Jetzt ist sie in ihrem Element. Radio, das ist Leben. Das Kommentieren im Fernsehen hat sie auch schon einmal ausprobiert. Als 1993 die TV-Abteilung mit der Radio-Abteilung beim HR zusammengelegt wurde, musste Martina Knief für das Fernsehen kommentieren. Ein kurzes Intermezzo, denn nach ein paar Spielen in der Regionalliga vermisste sie das Kommentieren im Radio schon wieder: „Im Radio beschreibe ich das, was passiert für den Hörer. Ich bin das Auge für den Hörer. Im TV, wenn ich da beschreibe, was ich sehe, das sieht ja jeder. Im Radio geht es um Emotionen“, sagt sie.

Heute kommentiert sie die Eintracht aus Frankfurt, die Männermannschaft. Dabei es hat der gebürtigen Bremerin gerade der Frauenfußball angetan. Seit dem ersten Spiel einer Frauennationalmannschaft in den 80ern, über Europa- und Weltmeisterschaften hin bis heute, begleitet Martina Knief den Frauenfußball. Die WM in diesem Jahr ist ein neuer Höhepunkt in der Geschichte des Frauenfußballs und der Aufmerksamkeit für diesen Sport. Die öffentliche Wahrnehmung hat sich komplett verändert. Das hat auch Knief erfahren: „Ich habe neulich mit Nia Künzer gesprochen und gemeint: 'Nia, durch dein Golden Goal und den WM-Sieg 2003 hat der Frauenfußball zum zweiten Mal begonnen'. Sie hat das bejaht. Jetzt sehen viele, dass der Frauenfußball ein professioneller Sport ist. Das hat nichts mehr damit zu tun, wie die Frauen vor 45 Jahren dem Ball hinterher gerannt sind.“

Der Frauenfußball hat sich entwickelt. Einen Imagewandel vom biederen Abklatsch einer Männermannschaft hin zum technisch und läuferisch starken Ballsport, der vor allem weiblich geprägt ist: „Ein Beispiel ist Lira Bajramaj. Die Nationalspielerin hat sich von Jugend an dem Sport hingegeben, eine ganz andere Erfahrung mit dem Fußball gemacht als zum Beispiel Birgit Prinz“, erzählt Knief.

Noch fünf Minuten zu spielen. Zeit für eine Spielzusammenfassung. Martina Knief macht sich bereit. Jetzt muss sie bis zu vier Minuten am Stück reden, die Königsdisziplin in der Live-Berichterstattung. Der Spielverlauf muss noch einmal erläutert, die Torschützen genannt und eine eigene Einordnung oder Meinung abgegeben werden. Knief macht das souverän, wie alles an diesem Nachmittag. Nicht der kleinste Fehler ist ihr unterlaufen. Fehler werden bei Frauen im Fußball aber auch allgemein anders bewertet als früher. Da konnte der Versprecher „Schalke 05“ schon mal zum Karriereende führen: „Natürlich werden wir als Frauen noch ein bisschen kritischer beäugt als ein Mann. Aber das ist nur menschlich. Derjenige, der kommentiert, muss es können, egal ob Mann oder Frau“, sagt sie und packt ihre Sachen zusammen. Auch bei der WM in Deutschland 2011 wird Martina Knief im Stadion sitzen und für den Rundfunk kommentieren. Sie kennt die Stadien in und auswendig und trotzdem ist jedes Spiel faszinierend und spannend. Gerade eine WM der Frauen. Und so wird es in der Live-Berichterstattung in diesem Jahr auch wieder nur zwei Frauen geben: Sabine Töpperwien und Martina Knief.