Frauke Wilhelm

Hamburger Psychologin sieht Profifußball als Risikoberuf

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Die Sportpsychologin Frauke Wilhelm (49) war 2019 mit dem FC St. Pauli im Trainingslager.

Die Sportpsychologin Frauke Wilhelm (49) war 2019 mit dem FC St. Pauli im Trainingslager.

Foto: Tim Groothuis / Witters

Im professionellen Fußball lauern durchaus mentale Gefahren. Vor allem bei manchen Trainern sieht die Sportpsychologin Nachholbedarf.

Hamburg.  Es war ein mutiger Schritt, den Werder Bremens Mittelfeldspieler Niklas Schmidt gerade vollzogen hat. Offen und ungefragt sprach er über seine „großen mentalen Probleme“, die ihn geplagt haben. „Depression ist ein sehr großes Wort. Was es am Ende genau ist, weiß ich nicht. Ich werde das mit meinem Psychologen aufarbeiten“, sagte er und sprach davon, dass es ihm an Lebensfreude gefehlt habe. „Wenn andere Leute, die nah bei dir sind, Angst um dich haben, dann musst du dir helfen lassen“, sagte der 24-Jährige weiter.

Frauke Wilhelm war beim FC St. Pauli als Mentaltrainerin

Schmidts Aussagen sind ein weiterer Beleg dafür, dass psychologische Probleme im Profifußball ein präsentes, aber bisweilen noch immer heikles und von den Betroffenen und Verantwortlichen verschwiegenes Thema sind. Aber auch positive Storys aus diesem Genre bleiben in der Regel verborgen. „Die Erfolge, die wir Sportpsychologen mit einzelnen Sportlern oder ganzen Teams haben, erfährt niemand, weil wir nicht darüber reden können. Das ist die Crux unserer Disziplin. Daher sind wir vielleicht auch nicht so angesehen wie andere Experten“, sagt Frauke Wilhelm.

Die Hamburger Sportpsychologin war selbst schon bei Hannover 96 sowie in der Saison 2018/19 auch beim FC St. Pauli tätig und lernte hier mit Markus Kauczinski und Jos Luhukay zwei sehr unterschiedliche Trainertypen kennen.

Von Mitte Januar an wird es die 49-Jährige nun wieder mit verschiedenen Trainer- und auch Sportcheftypen direkt zu tun bekommen. Für das in München ansässige Internationale Fußball Institut wird Wilhelm den auf sechs Monate angelegten Zertifikatslehrgang „Sportpsychologische Kompetenzen für Trainer*innen und Manager*innen“ leiten.

Sportpsychologie: Spieler haben weniger Berührungsängste als Trainer

Neben den digitalen Lerneinheiten gibt es von Januar bis Mai jeweils eine zweitägige Präsenzveranstaltung mit einigen prominenten Dozierenden in Hamburg – genauer gesagt im Hanseatic Campus in der Nähe des Michels. „Das Ziel ist es, Führungskräfte durch psychologische und speziell sportpsychologische Kompetenzen besser zu machen in ihrem Job“, sagt Frauke Wilhelm.

Bedarf dafür ist zweifellos vorhanden. Wilhelm hat festgestellt, dass inzwischen die meisten Profifußballer gegenüber ihren Trainern einen teils großen Vorsprung in Sachen Sportpsychologie haben. „Nur sehr wenige der heutigen Spieler haben noch nie etwas damit zu tun gehabt. Es gibt bei ihnen praktisch keine Berührungsängste mehr“, berichtet sie. Dagegen aber hätten „manche ältere Trainer noch immer Hemmungen.“,

Der Wandel bei den Spielern hängt in erster Linie damit zusammen, dass es in den Nachwuchsleistungszentren Pflicht ist, Sportpsychologen zu beschäftigen. „Dort werden vor allem Grundlagen an mentalen Techniken gelehrt. Wenn die Nachwuchsspieler bei den Profis ankommen, sind sie darin in aller Regel ziemlich gut. Sie haben gelernt, gute Routinen zu entwickeln“, sagt sie.

Risikoberuf Fußballprofi: So begründet es Sportpsychologin Frauke Wilhelm

Wenn mit dem Übergang aus dem Nachwuchs in den Profibereich aber die sportpsychologische Betreuung abreißt, weil etwa der Club keinen Sportpsychologen für die Profis beschäftigt, kann es problematisch werden. „Auch wenn Fußballprofi ein Traumberuf ist, ist es auch ein psychosozialer Risikoberuf, der hoch anspruchsvoll ist. An diesem kann ich als junger Mensch psychisch auch zerbrechen“, warnt Wilhelm.

Sie nennt dafür plausible Gründe: „Die Herausforderungen in diesem Beruf haben von Jahr zu Jahr zugenommen, weil unter anderem das Thema Social Media und damit die ständige Bewertung von außen immer mehr zunimmt.“ Aus psychologischer Sicht sei es „natürlich sinnvoll und hilfreich, dass man junge Menschen auf diesem Weg auch im psychosozialen Bereich professionell begleitet und unterstützt“.

Ihre Tätigkeit bei St. Pauli betrachtet Frauke Wilhelm trotz des frühen Endes nicht mit Groll. „Ich habe mit Markus Kauczinski, aber auch mit Jos Luhukay sehr gut zusammengearbeitet“, beteuert sie, auch wenn Letzterer im Sommer 2019 auf ihre Dienste verzichtete. .

( C.H )

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