Hamburg. Die Stimmung bei Daniel-Kofi Kyereh am Freitagabend hätte eigentlich gedrückt sein müssen. Der Grund: Muskuläre Probleme im Oberschenkel hatten ihm einen Strich durch die Europa-League-Rechnung in Nantes gemacht. Auch das Topspiel des SC Freiburg beim FC Bayern München am Sonntag sollte er verpassen. Doch stattdessen war Kyereh völlig aufgedreht. Der Grund diesmal: der FC St. Pauli.
Der Club, dessen sportliches Aushängeschild der athletische Kreativspieler in den vergangenen beiden Saisons war. „St. Pauli hat noch einen großen Platz in meinem Herzen. Ich habe selten so beim Zuschauen gejubelt wie beim Derby“, begründet Kyereh seine freitägliche Gefühlsexplosion. Er wünsche seinem Ex eben nach wie vor alles Gute. Nur nicht an diesem Mittwochabend (18 Uhr/Sky) in der zweiten Runde des DFB-Pokals. Oder?
FC St. Pauli: Ex-Spieler Kyereh will hoch hinaus
„Von mir aus kann St. Pauli auch gegen uns ein gutes Spiel machen“, sagt Kyereh. Es ist der Ausdruck des gefestigten Selbstvertrauens des Bundesligadritten. Soll der Gegner doch gut spielen. Na und? Wir sind trotzdem besser. Und das bei aller Bescheidenheit, so Kyereh. „Wenn wir so spielen, wie wir spielen, muss man nicht mehr von Glück reden. Die Tabelle lügt nicht. Aber dennoch gibt es hier kein Stück von Zufriedenheit oder Arroganz. Uns wird die Luft gelassen, noch besser zu werden“, sagt der 26-Jährige.
Kyereh ist mittlerweile in Sphären angekommen, in denen die Luft dünner wird. Dennoch will der Deutsch-Ghanaer immer höher hinaus – und scheint vor allem in der Lage dazu zu sein. Zweifel an seinem Bundesligadurchbruch, als er zu Saisonbeginn nur zu Kurzeinsätzen kam und dann sogar eine Partie in der Drittliga-Vertretung Freiburgs absolvierte, waren ihm fremd. „Ich war überzeugt, dass ich nicht allzu lange brauche, um mich an das Tempo und die Qualität anzupassen, sobald ich wieder topfit bin, wusste aber auch, dass ich Geduld brauche“, sagt Kyereh, der mit einer bei der ghanaischen Nationalmannschaft erlittenen Rückenverletzung aus der Sommerpause kam.
Kyereh erhält viele Freiheiten
„Ich bin zwar nicht hergekommen, um in der Zweiten zu spielen, habe aber den Zweck des Einsatzes verstanden, um mir vor Beginn der englischen Wochen noch mal die Matchhärte über ein komplettes Spiel abzuholen“, sagt Kyereh. Seitdem hebt er wieder regelmäßig zum Torjubelsalto ab. Drei Treffer, eine Vorlage und jede Menge Topleistungen in der Stammelf gehen auf Kyerehs Konto.
Unter Trainer Christian Streich („Es ist ein Privileg, täglich seine Idee vom Fußball besser zu verstehen und vor allem menschlich zu lernen“) erhält der Rechtsfuß viele Freiheiten im letzten Spielfelddrittel, seiner Kreativität freien Lauf zu lassen – solange die Arbeit gegen den Ball stimmt. „Das ist viel wert, dass ich mir keine Gedanken über Abläufe machen muss, sondern frei sein kann“, sagt Kyereh
Wer soll Gregoritsch stoppen?
Ob es am Mittwochabend zumindest für einen Einsatz von der Bank reicht, stehe offen. „Ich muss abwarten, wie der Oberschenkel auf das Training am Dienstag reagiert. Hoffentlich gut, denn ich habe mich die ganze Woche auf dieses Spiel gefreut“, sagt der Offensivspieler. Kyereh ist nicht der einzige frühere Braun-Weiße, der in Freiburg reüssiert. Michael Gregoritsch, in der Saison 2013/14 von der TSG Hoffenheim ans Millerntor ausgeliehen, hat in dieser Saison viermal für Freiburg getroffen hat.
Wer ihn stoppen soll, erscheint rätselhaft. Die Formation des FC St. Pauli zu erraten gleicht purem Glücksspiel. 5-3-2? 4-4-2? 4-2-2-2? 112! Denn vor allem in der Defensive der Kiezkicker ist die Notanlage ausgebrochen. Das Innenverteidigerduo David Nemeth und Jakov Medic fällt wohl längerfristig aus. Nemeth (Adduktorenprobleme) droht dem Vernehmen nach eine Pause von bis zu drei (!) Monaten. Und auch bei Medic (Schulter) ist eine Rückkehr am Sonnabend in der Zweiten Liga bei Arminia Bielefeld auszuschließen. Ein Schreckensszenario.
Luca Zander nicht trainingsfähig
Rechtsverteidiger Manos Saliakas wiederum ist rotgesperrt, doch ausgerechnet, wenn er mal freie Bahn hätte, ist auch sein Vertreter Luca Zander außer Gefecht gesetzt. Der dienstälteste St.-Pauli-Profi hatte im Derby einen Schlag auf den Solarplexus erlitten und musste sich noch am Freitagabend einem Ganzkörpercheck im Krankenhaus unterziehen. Dieser ergab zwar keine Auffälligkeiten, dennoch fühlte sich Zander nicht trainingsfähig. Apropos: Dies gilt auch für den erkrankten Mittelfeldakteur Carlo Boukhalfa und die wegen muskulärer Probleme ausfallenden Niklas Jessen und Franz Roggow.
Menü eins: die Fünferkette, die schon beim 3:0-Derbysieg gegen den HSV gut funktioniert hat. Hierbei würde sich auf der linken Seite mit dem unangefochtenen Leart Paqarada nichts ändern. Betim Fazliji würde seine Chance in der Innenverteidigung erhalten, neben ihm wie gegen den HSV Sechser Eric Smith einrücken. Problem: Wer verteidigt rechts? Eine Option wäre Jannes Wieckhoff, der nach einjähriger Verletzungspause aber immer noch nicht wieder richtig fit für ein Spiel oberhalb vom Regionalliganiveau zu sein scheint.
Lukas Daschner hinterließ einen guten Eindruck
Also müsste das polnische Schweizer Taschenmesser Adam Dzwigala diese Position einnehmen. Was innen Platz für den in dieser Saison noch nicht eingesetzten Youngster Marcel Beifus öffnen könnte. Wahrscheinlicher ist es aber, dass der etatmäßige Linksverteidiger Lars Ritzka zum Einsatz kommt. Menü zwei: die Viererkette – wahlweise als Raute, flaches 4-4-2 oder 4-2-2-2. „Hat immer gut geklappt gegen Mannschaften, deren Außenverteidiger hoch stehen, wie sie es beim SC Freiburg machen“, sagt Schultz.
- Ein ehemaliger HSV-Profi verlängert St. Paulis Durststrecke
- Sturmproblem auf dem Kiez – Die Suche nach einem Torjäger
- Marcel Hartel – St. Paulis Dauerläufer hat einen Lauf
Sicher sind nur die Beilagen – Lukas Daschner habe bei Schultz im Derby einen „sehr guten Eindruck“ hinterlassen, David Otto könnte nach seinem Tor von Anfang an stürmen – und das nicht sonderlich süße Dessert. Denn auf Bielefeld wird noch nicht geschielt, Schonzeit ist wann anders.
FC St. Pauli: Vasilj wird wohl im Tor stehen
Zumindest das Thema Pokaltorwart scheint sich nicht aufzutun. In der vergangenen Saison spielte Ersatztorwart Dennis Smarsch im DFB-Pokal, so wie auch in der ersten Runde, als Stammkraft Nikola Vasilj verletzt fehlte. Smarsch wurde mittlerweile zum dritten Keeper degradiert. Schultz wollte zwar am Dienstag noch „mit allen Torhütern sprechen“ und sich vorher nicht festlegen, nach Abendblatt-Informationen wird Vasilj aber spielen. Geht es nach Kyereh, darf sein Ex-Mitspieler sogar ein gutes Spiel zeigen.
SC Freiburg: Flekken – Kübler, Ginter, Lienhart, Günter – Keitel, Höfler – Schade, Höler, Grifo – Gregoritsch.FC St. Pauli: Vasilj – Dzwigala, Fazliji, Smith, Ritzka, Paqarada – Irvine, Aremu, Hartel – Daschner, Otto.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: St. Pauli