Länderspielpause

XXL-Auszeit: Fluch oder Segen für den FC St. Pauli?

| Lesedauer: 5 Minuten
Carsten Harms
Viel Zeit auf dem Trainingsplatz verbringen die Profis des FC St. Pauli in diesen Wochen bis zum Spiel in Darmstadt am 19. November.

Viel Zeit auf dem Trainingsplatz verbringen die Profis des FC St. Pauli in diesen Wochen bis zum Spiel in Darmstadt am 19. November.

Foto: Tim Groothuis / Witters

Wie die Mannschaft vom Millerntor versucht, nach der Absetzung des Sandhausen-Spiels nicht den Rhythmus zu verlieren.

Hamburg. Viel Fußball stand am Wochenende auf dem Programm von Timo Schultz. Nur seine eigene Mannschaft konnte der Cheftrainer des FC St. Pauli nicht im Wettbewerbsmodus beobachten, nachdem das für Sonntag geplante Heimspiel gegen den SV Sandhausen von der DFL wegen der mindestens 18 Corona-Fälle beim Gegner (zwölf Spieler, sechs Betreuer) abgesetzt worden war. Schon am Freitagabend hatte sich Schultz das Heimspiel von Holstein Kiel gegen Dresden (2:1) vor Ort angeschaut, an den Tagen danach folgten „mit Tee und einem Stück Kuchen vor dem Fernseher“ etliche weitere Partien der Konkurrenten in der Zweiten Liga.

Dabei erlebte er, dass sein eigenes Team auch ohne eigenes Zutun die Tabellenführung verteidigte, weil Verfolger Jahn Regensburg 2:3 gegen den FC Hansa Rostock verlor, den St. Pauli im jüngsten Heimspiel vor zwei Wochen noch 4:0 bezwungen hatte. Auch die Heimniederlagen von Schalke 04 (2:4 gegen Darmstadt) und des 1. FC Nürnberg (1:2 gegen Werder Bremen) gefiel den St. Paulianern durchaus.

Kommt der FC St. Pauli wieder in den Rhythmus?

Doch die große Chance, selbst mit einem weiteren Heimsieg die Tabellenführung zu untermauern und den Vorsprung auszubauen, blieb den Kiezkickern eben verwehrt. „Wir hatten uns auf das Spiel vorbereitet, es ist bekannt, dass wir ganz gut drauf sind“, sagte Schultz nach der Trainingseinheit am Sonnabend, die kurzfristig noch mit einem Kraftzirkel garniert worden war, ehe es einen freien Sonntag gab. „Wir wollten alle spielen, es wäre für uns schön gewesen, im Rhythmus zu bleiben.“

So aber muss das Team des Spitzenreiters einen Zeitraum von genau drei Wochen zwischen dem letzten Ligaspiel, dem 1:1 bei Werder Bremen, und dem nächsten Punktmatch auswärts bei Darmstadt 98 überbrücken und alles daransetzen, die gute Verfassung in körperlicher und mentaler Hinsicht in dieser XXL-Pause zu konservieren.

St. Pauli hat keine gute Bilanz nach Länderspielpausen

Trotz der ungeklärten Fragen rund um das Zustandekommen des rekordverdächtigen Corona-Massenausbruchs im Sandhäuser Team ist es typisch für Schultz, dass er nach außen Gelassenheit vorlebt. „Ich will kein Riesending daraus machen. Es gehört in der Situation, in der wir sind, dazu. Wir werden es so annehmen. Dann freuen wir uns eben ein zweites Mal auf das Heimspiel gegen Sandhausen“, sagte er. „Ich glaube auch nicht, dass uns das jetzt rausbringt.“

Allerdings hat die Mannschaft vom Millerntor in dieser Saison mit den beiden bisherigen Länderspielpausen in der normalen Länge von zwei Wochen keine guten Erfahrungen gemacht. Im September zeigte das Team beim 0:1 in Hannover nach der ersten Unterbrechung in dieser Saison die bisher schlechteste Saisonleistung. Und im Oktober gab es in Heidenheim ebenfalls eine schwache erste Halbzeit (0:1), ehe St. Pauli das Spiel drehen und 4:2 für sich entscheiden konnte.

Nach der Pause direkt ein Knaller-Spiel

„Auch da sind wir schwer reingekommen. Klar, analysiert man das. Das sind Kleinigkeiten. Wir haben jetzt das Training am Donnerstag vor dem Spiel bei Darmstadt 98 nach hinten verlegt, damit die Jungs, die von den Nationalteams wiedergekommen sind, ausschlafen können“, berichtete Schultz. Auch diesmal steht nach der Pause mit dem Auswärtsspiel in Hessen eine schwere Aufgabe mit erhöhter Stolpergefahr für St. Pauli auf dem Programm.

An der Grundproblematik der Länderspielpause ändert sich auch diesmal für St. Pauli nichts. Gleich fünf Profis von Stammspielerformat sind mit ihren nationalen Auswahlteams unterwegs und werden erst am Donnerstag kommender Woche wieder am Teamtraining bei St. Pauli teilnehmen können. Dies sind Daniel-Kofi Kyereh (Ghana), Jackson Irvine (Australien), James Lawrence (Wales), Nikola Vasilj (Bosnien) und Finn Ole Becker (Deutschland U21). „Bislang hatte ich bei den Nationalspielern das Gefühl, dass sie gut drauf waren, wenn sie wiedergekommen sind. Ich konzentriere mich jetzt auf die, die hier sind“, sagte Schultz.

„Ein Spiel ist das Salz in der Suppe“

Immerhin lässt es die Pause zu, dass er am kommenden Donnerstag (14 Uhr) im Test gegen den dänischen Erstligisten Viborg FF in Norderstedt mehreren Spielern, die zuletzt nach längeren Verletzungen wieder ins Teamtraining zurückgekehrt waren, ausgedehnte Einsatzzeiten geben kann. „Ich freue mich auf die Jungs, die zum Teil ein halbes Jahr raus waren. Ein Spiel ist das Salz in der Suppe. Du brauchst den Wettkampf“, sagte der Coach jetzt.

Gleichzeitig kündigte er an, dass die Belastung im Training in den beiden anstehenden Wochen sehr stark individuell angepasst werden soll. Schon am Sonnabend wurden Kyereh und auch Afeez Aremu, die zuletzt im Dauereinsatz waren, geschont. Selbiges war auch für Irvine und Lawrence vor ihren Reisen vorgesehen. Beide aber widersprachen, wie Schultz verriet: „Sie saßen mir oben in meinem Büro gegenüber und haben gesagt: Wir wollen unbedingt mittrainieren. Da kannst du nicht Nein sagen.“

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: St. Pauli