Hamburg. Das Fußballfieber steigt rund um das Millerntor-Stadion, in dem der FC St. Pauli an diesem Sonntag (13.30 Uhr/Sky) erstmals seit sechs Jahren wieder mit einem Heimspiel in eine neue Saison der Zweiten Liga starten darf. Das Nordderby gegen Holstein Kiel wird gleich ein besonderes Match sein. Dies gilt umso mehr für St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann (49), schließlich hatte er bis zum Sommer 2014 viereinhalb Jahre lang in Kiel als Sportchef gewirkt und Grundlagen für die positive Entwicklung der „Störche“ gelegt. Da passte es bestens, Andreas Bornemann als Gast für die 17. Ausgabe des Abendblatt-Podcasts „Millerntalk“ rund um den FC St. Pauli zu gewinnen.
Mehr als eine Stunde nahm sich Bornemann in der Abendblatt-Redaktion Zeit, um über seine Erwartungen an die neue Saison, seine Vertragsverlängerung und die zu erwartende von Trainer Timo Schultz sowie über Kriterien für neue Spieler und unangenehme Unterhaltungen mit Spielern, deren Verträge nicht verlängert werden, zu sprechen.
Gemischte Gefühle bei Andreas Bornemann
Kurz vor dem ersten Saisonspiel, verrät Bornemann, sei er hin und her gerissen zwischen zwei Gefühlen. „Auf der einen Seite ist die Vorfreude, dass es jetzt auch mit einigen Zuschauern wieder losgeht, natürlich da. Auf der anderen Seite aber ist auch die Anspannung vorhanden, ob die Dinge wieder so aufgehen“, sagt er.
Inzwischen aber ist dem tiefen Schock ein vorsichtiger Optimismus gefolgt. „Wir sehen jetzt vielleicht ein kleines Funkeln am Horizont, aber keiner weiß, wie schnell es sich auch wieder verändern kann“, sagt er mit Blick auf die Rückkehr von Zuschauern in die Stadien. „Im Moment schaut jeder Verein auf den anderen und wartet, was er macht.“ Dieses Belauern werde wohl am ehesten durch Clubs durchbrochen, die Investoren im Rücken haben.
St. Pauli will den Kader noch verstärken
Dass Leistungsträger den Kiezclub noch verlassen, könne er nicht ausschließen. „Es wäre vermessen zu sagen, dass wir irgendetwas verhindern könnten, wenn sich für einen Spieler eine wahnsinnige Option auftut“, sagt der Sportchef, stellt aber klar, dass es aktuell keine Angebote etwa für Daniel-Kofi Kyereh und Finn Ole Becker gibt. Grundsätzlich müsse und wolle St. Pauli keinen Leistungsträger abgeben, sondern eher den Kader noch verstärken: „Wir haben noch ein, zwei Ideen.“
Um geeignete Spieler zu finden, gibt es heute eine Flut an Daten. Jeder Pass, jeder Sprint, jeder Schuss wird erfasst. „Es hat bei mir nie eine Verpflichtung ohne ein persönliches Gespräch gegeben. Primär steht zwar immer das sportliche Leistungsprofil obenan. Der andere Aspekt ist die Mentalität und eine Einschätzung, wie der Spieler in die Gruppe passt“, sagt er.
Was Bornemann kränkt
Spieler zu verpflichten ist aber nur eine Seite der Kaderplanung. Eine andere ist es, Spielern mitzuteilen, dass sie gehen müssen. „Ich gehe nicht mit Freude in diese Gespräche“, betont Bornemann, der bei Kritikern im Ruf steht, vor allem das „alte St. Pauli“ abschaffen zu wollen. „Du musst das richtige Timing finden, um einem Spieler zu sagen, dass es nicht weitergeht. Er soll dir ja eventuell noch aus einer schwierigen Situation heraushelfen“, sagt er.
Zum Vorwurf, zu viele langjährige St.-Pauli-Profis abserviert zu haben, betont er: „Eine lange Vereinszugehörigkeit ist schön, aber kein Verdienst an sich und löst keinen Automatismus aus, dass es auch ins neunte und zehnte Jahr geht. Irgendwann ist eben Schluss.“ In Kategorien wie „altes oder neues St. Pauli“ denke er nicht. „Es ist ein unfassbar toller Verein, der aber in den letzten Jahren immer das Gefühl hatte, die Kraft nicht so richtig auf die Straße zu bekommen“, sagt er und gibt zu: „Es kränkt mich am allermeisten, wenn es heißt, wir sind ein Merchandisingverein mit angeschlossener Fußballabteilung.“
Kontinuität auf der Führungsebene
Kontinuität ist derweil auf der Führungsebene angesagt. „Mir war wichtig, dass der Aufsichtsrat das aktuelle Präsidium wieder zur Wahl vorschlagen wird“, sagt Bornemann über seine gerade vollzogene Vertragsverlängerung. Fehlt noch Trainer Timo Schultz, dessen Vertrag im Sommer 2022 ausläuft. „Es ist in der Logik der nächste Schritt, das Unterfangen mit Timo anzugehen. Ich denke, das wird uns auch gelingen“, sagt er. „Ich halte ihn auch für schlau genug, seine Schritte richtig zu gehen, und denke, dass er Lust hat, das Thema hier weiter voranzutreiben.“
Die 17. „Millerntalk“-Folge mit Andreas Bornemann ist kostenlos auf abendblatt.de/millerntalk sowie allen gängigen Streamingplattformen zu hören. Er berichtet darin auch, warum er Podcasts oft nach Mitternacht im Auto hört, erzählt seine kurioseste Transfergeschichte und verrät, welches Sportgerät er sich zugelegt hat.
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