Sie kennen sich seit ihrer gemeinsamen Zeit beim BVB. Und feierten viele Erfolge. Jetzt haben die früheren Dortmunder eine letzte gemeinsame Mission – den Klassenerhalt.

Belek. Man sieht sich immer zweimal im Leben – diese Lebensweisheit trifft auf Profifußballer ganz besonders zu. Bisweilen kommt das zweite Mal dabei sehr überraschend. So ist es im Fall von Florian Kringe und Julian Koch. Seit dem Trainingsauftakt am 5. Januar gehört der 24 Jahre alte Koch als Leihspieler des Bundesligisten Mainz 05 zum Zweitliga-Kader des FC St. Pauli. Hier traf der Defensivspezialist gleich fünf alte Bekannte aus seinen insgesamt elf Jahren bei Borussia Dortmund wieder – Marcel Halstenberg, Lasse Sobiech, Christopher Buchtmann, Christopher Nöthe und Florian Kringe. Doch nur gemeinsam mit dem heute 33 Jahre alten Kringe wurde Koch im Mai 2012 auch Deutscher Meister.

Dies zumindest auf dem Papier. „Eigentlich habe ich ja die Meisterschaft mehr als Fan denn als Spieler erlebt. Ich gehörte zwar zum Kader, aber durch meine Verletzungen habe ich in der Saison nicht gespielt und sogar kaum einmal mittrainieren können“, sagt Julian Koch ehrlich. „Julian ist es dabei so ähnlich gegangen wie mir 2002, als ich als ganz junger Spieler auch schon zum Kader gehörte, aber nicht zum Einsatz gekommen bin. Zehn Jahre später war ich dann aber mittendrin in der Mannschaft“, sagt Florian Kringe.

Gegenseitig wahrgenommen haben sich Koch und Kringe in den gemeinsamen Dortmunder Jahren trotz des Altersunterschieds von rund neun Jahren aber sehr wohl. „Schon als ich in der BVB-Jugend spielte, habe ich immer seine Beidfüßigkeit bewundert“, sagt Koch. Die Fähigkeit, mit dem rechten und linken Fuß gleichermaßen gut passen und schießen zu können, besitzt trotz aller modernen Trainingsmethoden auch heute kaum ein Profifußballer. Florian Kringe hat sich dieses Vermögen auch mehr aus der Not heraus angeeignet. „Ganz am Anfang war auch mein rechter Fuß stärker. Irgendwann, als ich noch ein kleiner Junge war und auf der Wiese spielte, war der Fuß mal verletzt, aber ich wollte unbedingt immer weiterkicken. Und dann ging es mit der Zeit mit links genauso gut. Danach habe ich bewusst beide Seiten gleichmäßig eingesetzt. Man ist dadurch ja auch viel unberechenbarer“, erzählt der Mittelfeld-Routinier.

Koch galt als vielversprechendes Defensivtalent

Er wurde auf Julian Koch besonders aufmerksam, als dieser als Nachwuchsspieler anfing, mit den Bundesligaprofis zu trainieren. „Es sind bei diesen Jungs ja immer welche dabei, die nur so mitlaufen. Bei ihm hat man aber sofort eine bestimmte Präsenz gespürt. Auf dem Feld hat er nicht zu viel Respekt gezeigt. Er war frech, aber nur auf dem Rasen, nicht etwa als Typ. Man hat einfach gemerkt, dass er mehr will“, sagt Kringe rückblickend.

Tatsächlich galt Koch als eines der vielversprechendsten deutschen Defensivtalente. Als Leihspieler legte er eine überragende Saison (2010/2011) in der Zweiten Liga beim MSV Duisburg hin, ehe ihn am Ende eine schwere Verletzung stoppte. Neben einem Kreuzbandriss erlitt er auch noch das Kompartmentsyndrom. Dabei musste das Bein geöffnet werden, um den entstandenen Blutstau zu entfernen. In dieser Zeit war es fraglich, ob er seine Karriere überhaupt fortsetzen konnte. „Ich habe immer nach vorn geschaut und nicht gehadert oder mir darüber Gedanken gemacht, was ohne diese Verletzung gewesen wäre. Dazu haben mich meine Familie und Freunde moralisch sehr unterstützt“, erinnert er sich an die Zeit im Krankenhaus und in der Reha.

Erfahrungen mit Verletzungen hat Florian Kringe erst spät in seiner Karriere gemacht. „Ich hatte das Glück, zehn Jahre lang immer fit zu sein. Darum fiel es mir bei den beiden Fußbrüchen, die ich dann hatte, auch nicht so leicht, mich durch die Reha zu quälen. Aber mit Ende 20 hatte ich ja immer noch das Ziel vor Augen, noch ein paar Jahre zu spielen. Das hat mich motiviert“, erzählt er.

Mögliches Karriereende Kringe

Jetzt haben Kringe und Koch beim FC St. Pauli das gemeinsame Ziel, die Mannschaft vor dem Abstieg aus der Zweiten Liga zu bewahren. „Mit seiner Robustheit, Zweikampf- und Kopfballstärke sowie seinen spielerischen Qualitäten traue ich Julian zu, eine Verstärkung für uns auf der Sechserposition zu sein“, sagt Kringe. Seine eigene Rolle sieht er indes auch darin, mit vielen Gesprächen auf seine überwiegend erheblich jüngeren Mitspieler auch außerhalb des Platzes positiv einzuwirken.

Am Saisonende, nach einer möglichst erfolgreich vollbrachten Mission Klassenerhalt, werden sich die Wege von Kringe und Koch wieder trennen. Koch hat noch einen Vertrag bis Sommer 2017 bei Mainz 05, und bei Kringe deutet einiges auf das Karriereende hin. „Ich habe viele gute Jahre gehabt. Es könnte sein, dass im Sommer für mich Schluss mit dem aktiven Fußball ist“, sagt er erstmals ganz offen. Dem Fußball will Kringe aber in irgendeiner Form verbunden bleiben – ob als Trainer, Berater oder in anderer Funktion ist noch offen. „Ich denke, es wird auch guttun, ein paar Monate einmal etwas Abstand zu gewinnen, denn ich führe dieses Fußballerleben ja schon, seit ich 13 Jahre alt bin“, sagt er. Doch bis zum 34. Spieltag am 24. Mai gilt bei beiden die ganze Konzentration dem Klassenerhalt des FC St. Pauli.