Der FC St. Pauli steht gegen Kaiserslautern vor der nächsten Mammutaufgabe. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zur Krise

Hamburg. Man müsse die Punkte eben gegen Gegner aus dem unteren Tabellendrittel holen. Gegen die Mannschaften, denen man auf Augenhöhe begegne, hatte Thomas Meggle nach der 1:4-Pleite gegen Aufstiegsmitfavorit RB Leipzig erklärt und damit für Verwunderung gesorgt. Am Sonntag (13.30 Uhr) im Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern – ebenfalls Kandidat für den Klassensprung – wäre man nach der meggleschen Theorie also erneut chancenlos. Am Freitag vor der Partie nun rückte der Trainer des FC St. Pauli seine Aussage zurecht: „Wir wollen jede Möglichkeit nutzen, zu punkten. Da gehört natürlich auch Kaiserslautern dazu“, sagte der 39-Jährige: „Wir gehen nicht ins Spiel und sagen, wir wollen einen Punkt holen. Unsere Überzeugung ist, drei Punkte zu landen.“ Auf welchen Positionen Meggle nun in der sportlichen Krise Veränderungen plant, wie er das Team in der Woche aufbaute und was Spieler und Fans am Millerntor erwartet – das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zum Abstiegskampf auf St. Pauli:

Auf wen vertraut Meggle in der Krise?

Aus Verletzungsgründen musste der Coach bislang im Wochenrhythmus die Aufstellung verändern. Vor allem im Defensivverbund konnte sich keine Viererkette einspielen. Mit Marc Rzatkowski verletzte sich in Leipzig zudem ein wichtiger Baustein der Offensive. Er wird 2014 nicht mehr auflaufen. Meggle sagt: „Ich bin bedacht darauf, nicht russisches Roulette zu spielen. Ich werde die konstanteste und beste Mannschaft aufstellen.“ Doch gegen den FCK wird er unabhängig von der Verletzung Rzatkowskis wohl noch einmal rotieren. Zu den Konstanten im Abstiegskampf sollen nun die Innenverteidiger Sören Gonther und Lasse Sobiech gehören. Gonther saß in Leipzig angeschlagen auf der Bank, Sobiech verpasste diese Woche zwei Trainingseinheiten, steht aber zur Verfügung. Neben ihnen ist Rechtsverteidiger Sebastian Schachten trotz seiner katastrophalen Leistung in Leipzig gesetzt. Jahrelang war er als Antreiber vorweggegangen und soll nun mit Spielpraxis zu alter Form finden. Auf der linken Seite läuft ein Zweikampf zwischen den wiedergenesenen Marcel Halstenberg und Daniel Buballa. Gut möglich ist jedoch auch, dass Halstenberg eine Reihe weiter vorne im Mittelfeld den Rzatkowski-Ersatz gibt. Für mental und körperlich gewappnet für den Abstiegskampf hält Meggle auch die Mittelfeldspieler Christopher Buchtmann und Enis Alushi. Beide hatten im Herbst mit Verletzungen zu kämpfen und sollen nun Bestandteil einer Startelf sein, die über Wochen im Kern zusammenspielen kann.

Kommt es zum Wechsel im Tor?

Nach zuletzt drei schwachen Spielen wackelt Philipp Tschauner als Nummer eins, er strahlt aktuell keine Sicherheit mehr auf seine Vorderleute aus. Ein Wechsel auf dieser Position, die bislang nicht angetastet wurde, wäre logisch. Robin Himmelmann, der fußballerisch und in der Strafraumbeherrschung Vorteile gegenüber seinem Konkurrenten hat, könnte schon gegen Kaiserslautern das Vertrauen bekommen. Ihm hatte man bei seiner Vertragsverlängerung im Frühjahr eine Perspektive im Club über den Status als Nummer zwei hinaus aufgezeigt. Eine Verletzung bis in den Herbst hinein verhinderte ein Duell mit Tschauner im Sommer. Nun hat sich Himmelmann mit starken Leistungen in der U23 und im Training wieder in Stellung gebracht. Am Freitag mauerte Meggle in der Torwartfrage noch: „Am Ende besprechen wir so etwas immer intern, und das werde ich auch weiter so handhaben“, sagte er nur. Seine beiden bislang einzigen Einsätze in der Zweiten Liga hatte Himmelmann übrigens gegen Kaiserslautern ...

Worauf legt Meggle jetzt die Schwerpunkte in der Trainingsarbeit?

„Zweikämpfe pur“, so lautet das Credo. St. Pauli setzt auf schmutzigen Fußball mit Robustheit. In der Einheit am Mittwoch grätschten die Profis im Minutentakt über den Rasen. Meggle pfiff teilweise klare Fouls nicht ab. „Wir werden nicht die Nerven verlieren“, sagte Meggle, „wir haben an den Themen Kompaktheit und Zweikämpfe gearbeitet. Ich bin guter Dinge, dass wir viele Dinge davon schon sehen werden.“ Offensiv hat Meggle auf den Außenbahnen umgestellt. Künftig soll auf der linken Seite ein Linksfuß, auf der rechten ein Rechtsfuß spielen. Dies soll mehr Präzision bei Flanken bringen, der Trainer hat Flanken aus dem Halbfeld durch voriges Umlegen des Balles auf den starken Fuß satt. Am Donnerstag studierten die Profis zudem Eckballvarianten ein. Am Freitag sperrte St. Pauli die Tore zu und trainierte geheim.

Wie reagieren die Fans am Sonntag?

Die Stimmung ist gereizt. 7000 Fans begleiteten die Mannschaft zwar zuletzt nach Leipzig, doch nach dem Abpfiff gab es teils wütende Unmutsbekundungen, wie schon nach dem 0:3 gegen Heidenheim am Millerntor. In den sozialen Netzwerken und in St.-Pauli-Blogs spaltete sich das Lager in weiter treue Unterstützer und diejenigen, die Schluss machen mit dem Kuschelkurs (Abendblatt berichtete). Die blutleeren Auftritte des Teams sorgen für Unverständnis, der Anhang fordert Kampfgeist und wünscht sich Publikumslieblinge wie Deniz Naki zurück. Die Sehnsucht nach Profis, die sich mit dem Kiezclub voll und ganz identifizieren, ist groß. Es ist aber zu erwarten, dass der Großteil der 23.500 Zuschauer am Sonntag zu Spielbeginn wieder leidenschaftlich für St. Pauli einstehen wird. Doch die ersten Minuten der Partie werden entscheidend sein. Präsentiert sich die Elf erneut harmlos, dürfte das Raunen schnell einsetzen, Pfiffe während und nach dem Spiel wären die Folge. „Wenn ich auf den Straßen Hamburgs unterwegs bin, bekomme ich nur Zuspruch“, berichtete Meggle, „am Ende wissen wir alle, dass die Leute bei diesen Ergebnissen aber unzufrieden sind. Das können wir alle nachvollziehen. Aber eines kann ich meiner Mannschaft nicht vorwerfen: Dass sie nicht will.“ Nun gilt es, die These des Trainers zu untermauern.

Wie fest sitzt Meggle noch im Sattel?

An dieser Position wird aktuell nicht gerüttelt. Präsident Oke Göttlich sagte im Abendblatt-Interview: „Er ist der richtige Trainer, weil er mit Akribie und guter Ansprache versucht, aus diesem Team das Beste herauszuholen. Wir sollten uns eher fragen, warum es jetzt drei Trainern nicht so richtig gelungen ist, so zu arbeiten, wie sie eigentlich von ihrer inhaltlichen Stärke könnten.“ Deshalb sind im Winter personelle Konsequenzen im Kader zu erwarten. Profis wie Tom Trybull oder Bernd Nehrig droht das Abstellgleis, Neuverpflichtungen sind wahrscheinlich.