7000 Fans des FC St. Pauli reisen nach Leipzig. Beim umstrittensten Club der Liga laufen bereits Bundesliga-Planungen

Hamburg. Kaiserslauterns Fans taten es, die Bochumer ebenso wie Braunschweiger, sogar Heidenheims Anhang blieb fern. Sie alle folgten dem allgemeinen Boykott-Aufruf unter den Zweitligafans, das Auswärtsspiel bei RasenBallsport Leipzig nicht zu besuchen. Ein Zeichen gegen die grassierende Kommerzialisierung im Profifußball sollte damit gesetzt werden. Der vom österreichischen Brausehersteller Red Bull gegründete und finanzierte Club wurde als Klassenfeind auserkoren.

Dass die Fans des FC St. Pauli anders sind, dokumentieren sie gerne, wo immer sich die Möglichkeit bietet. Die Ablehnung des Kunstprodukts RB Leipzig eint sie zwar mit dem Rest der Liga, dennoch wird der Anhang des Kiezclubs zur Partie am Sonntag nach Leipzig (13.30 Uhr) reisen – und das gleich mit bis zu 7000 Menschen. Das Auswärtskontingent von 4200 Karten ist bereits seit Wochen vergriffen, zudem organisierten sich Fans Tickets auf den angrenzenden Rängen.

In einem Aufruf auf ihrer Homepage hat die Gruppe Ultrà Sankt Pauli das Spiel nun zu einer Mottofahrt auserkoren. Alle nach Leipzig Reisenden sollen die ältesten Trikots des FC St. Pauli anziehen, um so die Tradition ihres Vereins zu dokumentieren. „Lasst uns allen zeigen, was wir schon erlebt haben und wie viele Erlebnisse uns mit unserem Verein verbinden. Wir müssen nicht mit dem Wort Tradition um uns schmeißen, ein Blick in den Kleiderschrank genügt“, heißt es.

Kein anderes Projekt im deutschen Profisport wird aktuell so emotional diskutiert, wie das Ansinnen Red Bulls, einen Club in der Bundesliga zu etablieren. 2009 wurde der Verein gegründet, übernahm das Startrecht des SSV Markranstädt in der Oberliga. Fünf Jahre später ist Leipzig wieder auf der Zweitliga-Landkarte zu finden. Doch so schnell wie möglich aufsteigen, so lautet das proklamierte Ziel auch diesmal.

Dabei hätten die „Roten Bullen“ im Sommer fast die Lizenz für Liga zwei nicht erhalten. Das Logo, das zu stark an das Wappen des Getränks erinnerte, die mehrheitliche Besetzung von Führungspositionen im Verein durch Red-Bull-Mitarbeiter und die Tatsache, dass der Mitgliedsbeitrag 800 Euro pro Jahr (bei St. Pauli 120 Euro) betrug, waren der DFL ein Dorn im Auge. Auf dem Papier behob der Verein die Missstände, tatsächlich thronen noch immer die beiden roten Bullen auf der Brust der Profis, der Einfluss von Fans im Club ist auch weiter unerwünscht.

Sportlich jedoch überzeugt RBL mit einem ausgewogen aufgestellten Team und einem hervorragenden Nachwuchskonzept. Der Däne Yussuf Poulsen besticht im Sturm mit sechs Treffern. Sein Antritt und seine Technik machten ihn nun zum Nationalspieler seines Landes. Trainer Alexander Zorniger behauptete kürzlich gar, zehn Millionen Euro sei sein Juwel schon wert. Als Drittligist hatte Leipzig ihn für 600.000 Euro verpflichtet. Doch Geld spielt bei Red Bulls Prestigeobjekt keine Rolle. Für 11,6 Millionen Euro kamen im Sommer unter anderem Ex-Nationalspieler Marvin Compper, US-Nationalspieler Terrence Boyd, Weltmeister-Bruder Rani Khedira oder Fünf-Millionen-Mann Massimo Bruno, der gleich zum österreichischen Ableger RB Salzburg ausgeliehen wurde. St. Pauli gab im gleichen Zeitraum 900.000 Euro aus.

Spätestens im kommenden Sommer will Gesamt-Red-Bull-Sportdirektor Ralf Rangnick zudem die Salzburger Leistungsträger Kevin Kampl und Andre Ramalho konzernintern nach Leipzig transferieren. Bochums Trainer Peter Neururer, der sich zum Chefkritiker des Projekts aufgeschwungen hat, wetterte lautstark: „Dass ein Red-Bull-Club Spieler über einen anderen Red-Bull-Club verpflichten kann und der Spieler dann dort spielt, wo er eigentlich nicht spielen dürfte – das halte ich für absolut schädlich für den Fußball. Das ist Wettbewerbsverzerrung größten Maßes.“ Doch das Konzept geht auf: In der heimischen Red-Bull-Arena ist Leipzig noch ungeschlagen, kassierte mit neun Gegentreffern die wenigsten der Liga. Nach zuletzt schwächeren Auswärtsauftritten rangiert das Team aktuell auf Platz sieben mit Tuchfühlung zu den Spitzenrängen.

Die Planungen für das Oberhaus laufen bereits. Dazu soll auch das Stadion ausgebaut werden. Zur WM 2006 war die Arena für 90 Millionen Euro von der Stadt ins frühere Zentralstadion gebaut worden. 44.345 Zuschauer fasst sie aktuell. Red Bull will bei einem Aufstieg auf 55.000 Plätze aufstocken, die Namensrechte an der Spielstätte gehören dem Konzern ohnehin schon bis 2040. Für die Partie gegen St. Pauli sind schon über 32.000 Karten verkauft, der Club rechnet mit über 40.000 Besuchern. Vereinsrekord waren bislang 42.713 beim Aufstiegsspiel gegen Saarbrücken im Mai. Der zahlreiche Anhang aus Hamburg könnte also für eine neue Bestmarke in Leipzig sorgen.

Auch Neu-Präsident Oke Göttlich wird am Sonntag dabei sein. „Wir wollen den Red Bulls nicht die Bundesliga überlassen“, hatte er bei seiner Wahl bereits kampfbetont angekündigt.