St. Paulis Trainer verordnet seinem Team einen Zweitliga-Grundkurs – und zieht die Zügel an

Hamburg. Dick eingepackt mit dunkelblauer Mütze, Winterschuhen und Thermohose schritt Thomas Meggle am Mittwochmorgen auf und ab über den Trainingsplatz, zwischen seinen Spielern hindurch, die Seitenlinie entlang. Immer wieder unterbrach der Coach die Spielform seiner Mannschaft, gab Anweisungen und korrigierte. Ich schaue ganz genau hin, das wollte er seinen Lehrlingen vermitteln.

Nach der 0:3-Pleite gegen Heidenheim am Sonnabend hatte der Trainer des FC St. Pauli die Qualitätsfrage gestellt. Der Druck werde erhöht, Namen oder vorige Erfolge sollen nicht mehr zählen. „Kein Rumgesülze mehr, Fresse halten, ackern und arbeiten“, so kündigte Meggle an – und setzt dies nun um. „Wenn ich das noch einmal sehe, dann kracht’s“, schrie der Coach wutentbrannt über den Platz an der Kollaustraße. Nach einem Querpass in der Verteidigung stoppte er das Spiel, brüllte: „Was ändert sich dadurch? Nichts! Es wird höchstens schlechter.“

Fast 90 Minuten lang ließ Meggle sein Team in einer Spielform die Basis erfolgreichen Fußballs einstudieren. Statt dem tempoarmen Aufbauspiel mit vielen Querpässen, das St. Pauli zuletzt häufig gezeigt hatte, sollten lange Bälle aus der Abwehr in die Sturmspitze geschlagen werden. Oder über schnelle Flanken von der Außenbahn wollte Meggle den Ball in die Gefahrenzone gebracht sehen. Zurück zur Basis, so lautet das Motto. „Das war Zweite Liga heute“, erklärte Meggle anschließend. „Ein langer Ball, den zweiten Ball gewinnen, den Ball in die Box bringen, Zweikämpfe führen, Aggressivität an den Tag legen – jetzt geht es rund“, sagte der 39-Jährige.

Mit 25 Gegentoren hat der Kiezclub die schlechteste Defensive der Liga, vorne gelangen in 13 Spielen nur 13 Tore. Mit alten Tugenden und neuer Fleißarbeit will Meggle dem Tabellen-17. nun neues Leben einhauchen. Dazu hat er auf St. Pauli einen neuen Arbeitsrhythmus für sein Team eingeführt. „TPZ“, so lautet das Kürzel, das neuerdings hinter den Trainingszeiten der Profis steht und „Treffpunktzeit“ bedeutet. Spätestens um 9.30 Uhr müssen sich die Spieler in dieser Woche täglich an der Kollaustraße versammeln. Anders als bei vorigen Trainern erfahren sie unter Meggle erst dann das Programm des Tages. Zweimal pro Woche stehen vor der Raseneinheit Videoanalysen an. An den anderen Tagen wird entweder zweimal trainiert, oder es folgen nach den Übungen mit dem Ball Krafttraining, individuelle Stärken-Schwächen-Einheiten oder Life-Kinetik, eine Trainingsform bei der das Gehirn mit koordinativen, kognitiven und visuellen Übungen geschult wird. Mehrfach pro Woche essen die Spieler zudem auf dem Gelände gemeinsam zu Mittag.

„Wir wollen den Fokus voll auf Fußball legen“, erklärt Meggle sein Arbeitszeitmodell. „Zum Profifußball gehört mehr dazu als nur das Training.“ Eine 90-minütige Trainingseinheit und anschließend Feierabend, wie er es als Profi noch selbst erlebte – das kann sich der Trainer Meggle nicht vorstellen. „Solche Tage gibt es bei mir nicht“, sagt er deutlich. „Wir wollen, dass die Spieler einen ganz normalen Arbeitstag hier verbringen.“

Erste Erfolge seines Zweitliga-Grundkurses durfte der frühere Mittelfeldspieler am Mittwoch dann auch noch verzeichnen. Nach anfänglich vielen Unterbrechungen und wütenden Kommandos, gelangen die Spielzüge später deutlich besser. „Seht ihr: Wenn Flanken kommen, wird es in der Box gleich gefährlich“, lobte er nach einem Treffer von Enis Alushi: „Zweite Liga, so funktioniert der Fußball.“

Kapitän Sören Gonther musste die Einheit nach Schmerzen im Beckenkamm abbrechen und ließ sich ärztlich untersuchen. Eine Diagnose steht noch aus.