Seit 20 Jahren ist Oke Göttlich bereits mit dem FC St. Pauli verbunden. Jetzt hat der designierte Präsident erklärt, wie er und sein Team planen, den Kiezclub künftig zu führen.

Hamburg. An das Gespräch Anfang März mit den Vertretern des Aufsichtsrats kann sich Oke Göttlich noch gut erinnern. „Ich ging davon aus, dass man mich fragen wolle, ob ich in den Aufsichtsrat wolle. Erst nach einer halben Stunde kam dann heraus, dass es um die Präsidentschaft geht“, erzählt der 38 Jahre alte Musikunternehmer, der am 16. November auf der Jahreshauptversammlung zum neuen Präsidenten des FC St. Pauli gewählt werden soll. „Das ist kein persönlicher Putsch und keine Revolution“, betont Göttlich in diesem Zusammenhang. Bekanntlich hätte der noch amtierende Präsident Stefan Orth mit seinem Team gern noch vier Jahre weitergemacht, doch der Aufsichtsrat sieht in Göttlich und dessen Vizekandidaten die bessere Lösung.

Nach jenem Tag im März machte sich Göttlich, der seit 20 Jahren mit dem FC St. Pauli verbunden und – mit einer kurzen Unterbrechung als Sportreporter für die „taz“ – ehrenamtlich tätig ist, ans Werk. „Ich habe mir einen Kopf über unseren Verein gemacht und auf Basis meiner unternehmerischen Erfahrung viel Papier produziert“, berichtet er weiter. „Natürlich war es auch meine Frage an den Aufsichtsrat, warum er eigentlich einen Wechsel im Präsidium wolle. Die Aufgabe, den Verein zu modernisieren, entfachte das Feuer, weswegen auch eine Zusammenarbeit mit bisherigen Präsidiumsmitgliedern für mich nicht infrage kam.“

Bei seinen Statements ist Oke Göttlich anzumerken, dass er auf keinen Fall in die Rolle des Königsmörders schlüpfen will. „Es ist keine Kampfkandidatur gegen bestimmte Personen“, sagt er. Nicht er habe den nun anstehenden, kompletten Wechsel auf den fünf Präsidiumsposten initiiert, sondern der für diese Personalentscheidungen gewählte Aufsichtsrat sei auf ihn wie auch andere Kandidaten zugekommen und habe ein professionelles Auswahlverfahren durchgeführt. „Stefan Orth wusste auch, dass mit mir gesprochen wird. Er und seine Präsidiumskollegen haben in den vergangenen Jahren einen großen Job gemacht“, sagt Göttlich.

Trotz dieses Lobs an die überwiegend unfreiwillig ausscheidenden Führungskräfte lässt der designierte Präsident keinen Zweifel daran, dass er den Club anders führen und manches verändern will. „Wir wollen das Image unseres Vereins nicht nur verwalten, sondern einige Dinge nach vorne bringen und auch mehr und intensiver leben“, sagt Göttlich. „Die Stärke des FC St.Pauli besteht in seinem Vereinsleben. Dies wollen wir nutzen und viele kreative und konstruktive Kräfte einbinden“, sagt Göttlich. Künftig solle es eine höhere Vernetzung zwischen den Abteilungen und der hauptamtlichen Struktur im Verein geben. „Wir wollen den Club nicht von oben herab auf Basis unserer Egos regieren, sondern wieder kreative Momente aus der Mitgliedschaft aufnehmen und nach Möglichkeit umsetzen“, sagt Göttlich plakativ.

Klares Bekenntnis zu Sportchef Azzouzi

Auf die Frage, wohin der sportliche Weg des FC St. Pauli mittelfristig führen soll, hat Göttlich auch eine ebenso politische wie unmissverständliche Antwort parat. „Wir wollen die Erste Bundesliga nicht den Red Bulls überlassen. Wir haben Lust, oben anzugreifen“, erklärt er und sagt damit dem Trend zu immer mehr Vereinen, die von Großkonzernen getragen und bestimmt werden, den Kampf an. „Wir wollen so hoch wie möglich spielen und müssen als Vorstand die Rahmenbedingungen dafür schaffen, sportlichen Erfolg zu haben und Zufälle zu minimieren. Wir wollen den Erfolg förmlich umzingeln.“

Anders als der noch amtierende, für den Sport zuständige Vizepräsident Jens Duve sieht Göttlich die sportliche Entwicklung der Profimannschaft nicht nur „in einer kleinen Delle“. „Schon seit zwei, drei Jahren sehe ich den sportlichen Erfolg nicht“, sagt er. Gleichzeitig aber gibt er ein klares Bekenntnis zum seit rund zweieinhalb Jahren hauptamtlich tätigen Sportchef Rachid Azzouzi ab: „Selbstverständlich ist er der richtige Mann, sonst wäre er ja vom allseits geschätzten Präsidium nicht geholt worden.“ Und den vor zwei Monaten zum Chefcoach ernannten Thomas Meggle hält er für einen „inhaltlich starken und richtigen Trainer für den FC St.Pauli. Kontinuität auf diesen Positionen wäre wünschenswert.“

Für die Auswahl seiner Kandidaten für die vier Vizepräsidentenposten hat Göttlich nach eigenen Angaben 20 Personalgespräche geführt und jeweils ein Dossier angefertigt. Am Ende erwiesen sich aus seiner Sicht Unternehmer Jochen Winand, 63, für den Bereich der Finanzen und Infrastruktur, der Unternehmensberater und frühere St.-Pauli-Spieler Joachim Pawlik, 49, für Marketing und Sponsoring sowie auch Sport, der Rechtsanwalt Reinher Karl, 45, für Recht und Sicherheit und der Banker Thomas Happe, 50, für den Bereich Mitglieder und Fans am geeignetsten.

Die Aussage des bisherigen Präsidenten Stefan Orth, der Aufsichtsrat habe ihm zur Begründung für die Ablösung gesagt, man wolle künftig ein „linksalternatives Fan-Präsidium“, sieht Oke Göttlich gelassen und sagt: „Ja, viele Unternehmer würden mich wohl als linksalternativ bezeichnen. Darüber hinaus dürften wohl auch andere Fähigkeiten mich für dieses Amt qualifizieren.“ Aufsichtsratschef Marcus Schulz hatte allerdings diese Aussage Orth gegenüber dementiert und klargestellt, dass „die politische Einstellung kein Kriterium“ gewesen sei.