Der FC St. Pauli unternimmt mit dem 3:1-Sieg in Rathenow den ersten Schritt aus der Krise. Vrabec lobt die Einstellung

Rathenow. Minutenlang genossen sie die Sympathiebekundungen, die lautstark von der mit 2200 Gästeanhängern gefüllten Gegengeraden in Richtung des Spielfeldes dröhnten. Umarmungen, abklatschen mit den Fans – die Erleichterung bei den Profis des FC St. Pauli war groß. Mit 3:1 (2:0) hatten sie die erste Pokalrunde beim Fünftligisten Optik Rathenow schadlos überstanden und den ersten Sieg unter Wettbewerbsbedingungen seit dem 5. April gefeiert. Weil die bestandene Prüfung im brandenburgischen Havelland aber nicht mehr als eine Pflichtaufgabe war, kehrte bei allen Beteiligten schon beim Gang in die Kabine wieder Demut ein.

Eine Menge Arbeit habe man vor sich, daran ändere auch der Sieg nichts, sagte Sebastian Schachten stellvertretend für all seine Teamkollegen. „Es fehlt uns noch an allem, wir müssen uns weiter einspielen, die Chancen besser nutzen und auch besser verteidigen“, hatte er erkannt. Gleichwohl darf die Partie nach dem Fehlstart in die Zweitliga-Spielzeit als erster Schritt aus der Krise betrachtet werden. Von der ersten Minute an hatte St. Pauli in Rathenow keine Zweifel an einem Erfolg aufkommen lassen. Trainer Roland Vrabec gab der zuvor in Aalen (0:2) blutleer aufgetretenen Mannschaft eine weitere Chance, nahm nur zwei Wechsel vor: Der verletzte Lasse Sobiech war überraschend durch Philipp Ziereis statt Markus Thorandt vertreten worden, Sebastian Maier rückte für Neuzugang Michael Görlitz hinein.

Bereits nach neun Minuten verwertete Stürmer Christopher Nöthe eine mustergültige Flanke von Maier mit dem Hinterkopf zur Führung. Nebenmann Ante Budimir erhöhte nach Vorarbeit von Kapitän Sören Gonther und Marc Rzatkowski mit seinem ersten Treffer im zweiten Spiel für St. Pauli auf 2:0 (31.). Einzig in den Minuten vor der Pause geriet die Hintermannschaft ins Wanken. Schachten musste Rzatkowski auf der rechten Seite lautstark zu mehr Defensivarbeit auffordern, Torhüter Philipp Tschauner hatte Glück, dass sein Fehler bei einem Eckball nicht bestraft wurde. Die altbekannten Schwächen nach Standardsituationen wurden in jener Phase aufgedeckt.

Für die Entscheidung im zweiten Durchgang sorgte erneut Nöthe, der eine hervorragende Kombination von Rzatkowski und Daniel Buballa per Kopf vollendete (51.). Das 1:3 von Printemps Shelby (83.) war schließlich nicht mehr als der absolut verdiente Ehrentreffer. St. Pauli konnte neben den drei ansprechend herausgespielten Treffern zurückgewonnene Ballsicherheit und Zug zum Tor für sich verbuchen. Vor allem Mittelfeldstratege Christopher Buchtmann gab dem Spiel der Hamburger die zuletzt vermisste Struktur. Die Chancenverwertung hingegen musste Vrabec erneut bemängeln. Sowohl Nöthe als auch Budimir und der eingewechselte Lennart Thy mussten aus besten Gelegenheiten weitere Tore erzielen.

Ob des couragierten Auftretens sah Coach Vrabec mehr als nur die erfüllte Pflicht. „Meine Mannschaft hat heute Stolz und Ehre zurückgewonnen“, erklärte er: „Nachdem es für alle auf die Fresse gab, können wir jetzt selbstbewusst die Aufgaben angehen.“ Um diesen Effekt zu erzielen, hatte das Trainerteam die Profis in der Vorwoche abgeschottet. Sachbezogen seien die Probleme besprochen worden. „Es gab keine Schuldzuweisungen, sondern eine Analyse, berichtete Vrabec. Ein Wendepunkt, das weiß auch der Trainer, kann nur ein Heimsieg am kommenden Freitag gegen Sandhausen (18.30 Uhr) werden. „Es war aber wichtig, dass wir mit solchen Drucksituationen umgehen können“, erklärte der 40-Jährige. Gerüchte, die Verantwortlichen hätten ihm eine Frist bis zur Partie am Freitag gesetzt, ließen Vrabec auch am Sonnabend äußerlich kalt. Er habe ohnehin in jedem Spiel diesen Druck. „Es gab keine Gespräche mit dem Präsidium. Ich weiß nicht, was dort intern besprochen wurde, aber es gibt keine Frist. Das ist nicht bei mir angekommen.“

Gespräche, das bestätigte Vrabec, wird es nun aber über mögliche Zu- oder Abgänge bis 31. August geben. „Wir werden sprechen, ob und was wir am Kader verändern wollen“, sagte Vrabec. Die garantierten 268.000 Euro für das Erreichen der zweiten Runde verschaffen noch einmal neue Möglichkeiten.