St. Paulis neuer Kapitän Sören Gonther sieht den Zusammenhalt der ganzen Mannschaft als wichtigsten Erfolgsfaktor

Seine erste öffentliche Aufgabe als neuer Kapitän des FC St. Pauli absolvierte Sören Gonther souverän und routiniert. Zum Testspiel gegen den italienischen Erstligisten und Traditionsclub Udinese Calcio (0:0) führte er seine Mannschaft auf das Spielfeld und erledigte die Seitenwahl, als hätte er dies schon immer gemacht. Dazu erklangen aus den Lautsprechern des kleinen Stadions von Villach-Lind sogar, zwar ein wenig krächzend, die Klänge von Hell’s Bells.

Am späten Abend zuvor war die Entscheidung offiziell gefallen, dass Gonther in der anstehenden Saison die Rolle des Mannschaftskapitäns ausfüllen soll. Eine Überraschung war dies nicht mehr, schon bei seiner vorzeitigen Vertragsverlängerung im vergangenen Januar bis Mitte 2017 hatte sich abgezeichnet, dass Trainer Roland Vrabec und Sportdirektor Rachid Azzouzi planen, Gonther zur Führungskraft und Vorzeigefigur des FC St. Pauli aufzubauen.

„Roland Vrabec hat mich zur Seite genommen und mir seine Entscheidung mitgeteilt. Ich habe es angenommen. Danach ist es dann der Mannschaft mitgeteilt worden“, berichtete Gonther über das Prozedere. Im gleichen Zuge wurde Torwart Philipp Tschauner zum Stellvertreter ernannt. Die weiteren drei Mitglieder des Mannschaftsrates werden von den Spielern noch gewählt.

„Ich freue mich ganz besonders, dass ich die Ehre habe, der direkte Nachfolger von Fabian Boll zu sein. Natürlich sind die Fußstapfen, die er hinterlassen hat, verdammt groß. Ich habe Boller nach der Entscheidung auch gleich geschrieben. Er hat mir sofort gratuliert“, berichtete Gonther über seinen Kontakt zum Urgestein, der am Ende der vergangenen Saison seine aktive Karriere beendet hatte und jetzt Co-Trainer der U23-Mannschaft ist. „Ich traue mir aber zu, in diese Fußstapfen hineinzuwachsen“, sagt Gonther selbstbewusst.

Von seiner Hauptaufgabe in der neuen Rolle hat der 27-Jährige klare Vorstellungen, und die gehen weit über das hinaus, was im Testspiel gegen Udinese Calcio auf den ersten Blick zu sehen war. „Es ist für mich nicht wichtig, als Erster auf das Spielfeld zu laufen. Entscheidend ist, dass die Mannschaft funktioniert – und zwar die ganze Mannschaft, also auch die Jungs, die gerade nicht spielen“, sagt er.

Dabei greift er auch gleich zu einem Beispiel, das kaum aktueller und nicht prominenter sein könnte. „Wir haben doch an der deutschen Nationalmannschaft gesehen, was echter Teamgeist ausmacht. Der Erfolg der Mannschaft stand bei der WM absolut im Mittelpunkt, egal wer gespielt hat. Das muss jetzt unser Vorbild sein“, sagt Gonther.

Der Innenverteidiger erwartet dabei, dass dieses Wirgefühl auch deutlich demonstriert wird. „Wenn wir ein Tor schießen, dann muss die Bank förmlich explodieren“, sagt er drastisch. „Eitelkeiten müssen ganz weit in den Hintergrund rücken. Wenn ein Ersatzspieler dort sitzt und nur hofft, dass ein Kollege auf dem Feld schlecht spielt, damit er selbst beim nächsten Spiel größere Chancen auf einen Einsatz hat, wird das alles nichts. Ich sehe mich in diesem Punkt in der Verantwortung.“

Gonther strebt mit dem FC St. Pauli den Aufstieg in die Bundesliga an

Im Übrigen habe auch sein früherer Verein, der SC Paderborn, in der vergangenen Zweitligasaison deutlich gezeigt, dass „mit mannschaftlicher Geschlossenheit und dem Glauben an die eigene Stärke Berge versetzt werden können“. Bekanntlich spielt der Club aus Ostwestfalen, von dem Gonther vor zwei Jahren ans Millerntor wechselte kommende Saison in der Ersten Bundesliga. Dieses Ziel strebt Sören Gonther immer noch an: „Ich habe bei meiner Vertragsverlängerung gesagt, dass ich es unserer Mannschaft und dem Club insgesamt zutraue, dieses Ziel in der Zeit, in der ich hier bin, zu schaffen.“ Eine Voraussetzung dafür ist zweifellos eine stabilere Defensive als in der abgelaufenen Zweitligasaison. „Mit 49 Gegentoren wird man sicherlich auch diesmal nicht aufsteigen“, sagt Gonther. Hier ist er nun auch selbst nicht nur als Leitwolf, sondern in seinem konkreten Job als Innenverteidiger gefordert. Im Testspiel am Sonnabend gegen Udinese Calcio, das ohne Stürmerstar Antonio di Natale angetreten war, zeigte er gemeinsam mit seinem Nebenmann und St.-Pauli-Rückkehrer Lasse Sobiech, eine weitgehend souveräne Vorstellung.

Es deutet vieles darauf hin, dass diese beiden derzeit erste Wahl als St. Paulis Innenverteidigerduo sind. Als Außenverteidiger gilt dies rechts für Sebastian Schachten und links für Neuzugang Daniel Buballa. „Es war insgesamt ein guter Test, auch wenn wir gegen die defensiv eingestellten Italiener keine Treffer erzielt haben. Aber 10:1 Torschüsse in der ersten Halbzeit für uns sind schon ein guter Wert. Nach 60 Minuten hat man bei uns die Müdigkeit nach den vielen Trainingseinheiten gemerkt“, sagte Trainer Vrabec.

FC St. Pauli: Tschauner – Schachten, Sobiech, Gonther, Buballa – Görlitz (76. Nehrig), Kalla (64. Tybull), Buchtmann, Bahn (84. Rosin) – Nöthe, Thy (64. Daube).