St. Paulis Trainer spricht nach 1:1 in Cottbus von fehlendem Killerinstinkt und will handeln. Himmelmann verletzt sich

Cottbus. Sie alle wussten, bei wem sie sich zu bedanken hatten. „Ein großes Lob an Philipp Heerwagen, das war eine Weltklasse-Leistung nach so langer Pause“, sagte Innenverteidiger Sören Gonther nach einer Partie in Cottbus, in der St. Pauli zeitweilig wie der sichere Sieger ausgesehen, am Ende aber mit Glück und Heerwagen ein 1:1 (0:0)-Remis mitgenommen hatte. Der dritte Torhüter der Hamburger hatte seine Mannschaft zuvor in der 91. Minute mit einer herausragenden Fußabwehr gegen den Cottbuser Jurica Buljat vor der zweiten Niederlage innerhalb von sechs Tagen bewahrt.

Es war eine dieser Geschichten eines Fußballabends, der für den FC St.Pauli bitterer kaum hätte verlaufen können. Nach dem Ausfall von Stammtorhüter Philipp Tschauner sollte Robin Himmelmann am Gründonnerstag in Cottbus seine Bewährungschance erhalten. Doch während des Aufwärmtrainings verletzte sich der 25-Jährige bei einem Abwurf am Oberarm, Heerwagen sprang fünf Minuten vor dem Anpfiff ein. Während Himmelmann in der Kabine Tränen vergoss, avancierte Heerwagen, der zuletzt am 1. Dezember 2012 für den VfL Bochum in der Zweiten Liga gespielt hatte, auf dem Feld mit viel Routine und Präsenz zum Mann des Abends. „Es war ein saugeiles Gefühl. Das war immer mein Traum und ich habe darauf hingearbeitet“, freute sich der 31-Jährige, dessen Zukunft bei St. Pauli über den Sommer hinaus noch ungewiss ist. Ob Himmelmann länger ausfällt oder möglicherweise am kommenden Sonntag gegen Aalen seine nächste Chance erhalten wird, sollen Untersuchungen am Wochenende zeigen.

Dass Heerwagen überhaupt zum Retter in der Not werden musste, hatte sich St. Pauli wie so oft in dieser Saison selbst zuzuschreiben. Vollkommen uninspiriert und ohne die nötige Spannung waren die Gäste gegen eine Cottbuser Mannschaft ins Spiel gegangen, die als Tabellenletzter um ihre letzte Chance auf den Klassenerhalt kämpfte. Nach 19 Minuten hatte Energie bereits 8:0 Ecken herausgespielt. „Dieses späte Gegentor gegen Kaiserslautern (2:3 in der 97. Minute/d. Red.) haben wir nur schwer weggesteckt. Wir brauchten Anlaufzeit, und so hat es gedauert, bis wir die neue Aufgabe richtig angenommen haben“, erklärte Roland Vrabec.

Der Trainer musste am Seitenrand lautstark dirigieren, stellte das System nach 30 Minuten um und beorderte Marc Rzatkowski auf die Spielmacherposition. Von dort an übernahm St. Pauli die Kontrolle und erarbeitete sich, angetrieben von Schaltzentrale Christopher Buchtmann und eben Rzatkowski, zahlreiche Möglichkeiten. Doch wieder einmal blieb der Ertrag viel zu gering. Einzig Lennart Thy verwertete ein feines Zuspiel von Buchtmann nach 60 Minuten zur 1:0-Führung. Mit einem von Sebastian Maier verschuldeten Elfmeter konnte Ivica Banovic in der 87. Minute jedoch noch zum 1:1-Endstand ausgleichen. „Das ist eine Frage von Effizienz und Qualität. Wir brauchen einfach zu viele Chancen“, analysierte Gonther, „deshalb stehen wir zu Recht da, wo wir stehen“.

Mindestens fünf, höchstens sechs Punkte wird der Rückstand auf Platz drei nach diesem Spieltag bei noch drei ausstehenden Partien betragen, weil Paderborn und Greuther Fürth am Sonntag gegeneinander spielen. Vrabec denkt nun nicht mehr an den Aufstieg, sondern bereits an die Planung für die kommende Saison. „Die Killermentalität fehlt uns definitiv“, analysierte der 40-Jährige schonungslos. „Das unterscheidet uns noch von den richtig guten Teams der Liga.“ Dass der Weggang von Torjäger Daniel Ginczek (1. FC Nürnberg), der in der vergangenen Spielzeit 18-mal für St. Pauli getroffen hatte, nicht annähernd kompensiert werden konnte, gestand Vrabec nun ein. „Es hat sich keiner herauskristallisiert“, gab er zu. „Wenn du ganz vorne mitspielen willst, brauchst du mal jemanden, der die Dinger fast blind reinmacht. Wir haben eine sehr schlechte Quote, das muss definitiv besser werden.“

Vier Stürmer konnten den Weggang Ginczeks nicht kompensieren

Die Kritik galt dem eigenen Sturmpersonal, das nur selten überzeugen konnte. Sogar zusammengerechnet erreichen John Verhoek (fünf Tore), Christopher Nöthe (4), Lennart Thy (4) und Michael Gregoritsch (1) nicht annähernd die Marke Ginczeks. „Es ist nicht so, dass wir bei unseren Stürmern nicht an die Qualität glauben“, sagte Vrabec zwar, „aber natürlich schauen wir auch draußen nach einem Spieler, der uns auf Anhieb weiterhelfen kann“. Sprich: Ein möglichst gestandener Torjäger soll im Sommer verpflichtet werden. Gregoritsch und Thy bescheinigt der Trainer immerhin großes Potenzial, Nöthe und Verhoek hätten bereits bei anderen Clubs ihre Klasse unter Beweis gestellt. „Aber jetzt hoffen wir, dass der Knoten auch bei uns platzt.“

Zuvor gönnte Vrabec seiner niedergeschlagenen Mannschaft drei freie Tage, „um den Akku aufzuladen“. Der Coach will die Ostertage mit der Familie am Timmendorfer Strand verbringen. Dann soll zumindest Platz fünf gesichert werden. „Achter zu werden, sähe nach dieser erfolgreichen Saison nicht gut aus. Wir wollen noch einmal zeigen, dass wir guten Fußball spielen können.“