St. Paulis Siegtorschütze Fin Bartels wertet den hart erkämpften Erfolg über Union Berlin als „Schlüsselerlebnis“

Hamburg. Am Tag nach dem 2:1 (0:0)-Erfolg über den 1. FC Union Berlin war St. Paulis Siegtorschütze Fin Bartels zum Scherzen aufgelegt, ja für seine Verhältnisse schon übermütig. Wie er denn zum Karneval stehe, wurde er angesichts der Tatsache gefragt, dass der Sieg über die Berliner am Rosenmontag zustande gekommen sei. „Bisher war ich noch nie beim Karneval, aber ich hätte schon einmal Lust, das mitzumachen. Vielleicht würde ich mich als kleine Kuh verkleiden“, sagte Bartels, der normalerweise zu den eher zurückhaltenden Charakteren zählt.

Deutlich ernsthafter aber wurde er, als er auf die Bedeutung des Heimsieges über den Aufstiegsaspiranten aus der Hauptstadt zu sprechen kam. „Das kann für uns ein Brustlöser sein. Der Erfolg war für uns auch mental enorm wichtig, zumal wir ja zuvor nicht nur drei Heimspiele in Folge verloren sondern dabei auch kein Tor geschossen hatten“, sagte Bartels. „Dies kann das Schlüsselerlebnis dafür gewesen sein, dass wir zu unserer alten Heimstärke zurückfinden“, hatte St. Paulis Topscorer (sieben Tore, fünf Torvorlagen) schon wenige Minuten nach dem Schlusspfiff gesagt.

An diesen Worten wird sehr deutlich, wie sehr es die St.-Pauli-Profis belastet hatte, dass sie seit dem 11. November (3:0 gegen Energie Cottbus) kein Erfolgserlebnis mehr im jeweils ausverkauften Millerntor-Stadion hatten. Zwar konnten die Heimniederlagen gegen Köln (0:3), Karlsruhe (0:2) und Bochum (0:1) durch drei Siege und ein Unentschieden in den vier jüngsten Auswärtsspielen halbwegs kompensiert werden, aber befriedigend war die Situation für keinen der Beteiligten.

„Natürlich ist es mehr und mehr ein Thema bei uns geworden, dass wir zu Hause nicht mehr gewonnen haben“, bestätigte auch Außenverteidiger Sebastian Schachten, der am Abend zuvor das Führungstor der Berliner durch Simon Terodde (58. Minute) nur rund drei Minuten später egalisieren konnte, indem er den Ball aus rund 18 Metern aus der Drehung ins Tor drosch.

„Eigentlich wollen wir ja gerade zu Hause unsere Stärke zeigen und die Siege erringen“, sagte Schachten weiter. „Plötzlich aber wurde alles Mögliche ein Thema, wie zum Beispiel auch der Rasen in unserem Stadion.“

„Vor allem durch die Art und Weise, wie wir das Spiel vor unseren eigenen Zuschauern gedreht haben, hat der Sieg über Union eine ganz große Bedeutung. Sie geht weit über die drei gewonnenen Punkte hinaus“, sagte Roland Vrabec, nachdem er sich in der Nacht zum Dienstag das gesamte Spiel noch einmal im Fernsehen angeschaut hatte. „Es ist wichtig, dass die Spieler jetzt wieder die Erkenntnis gewonnen haben: es geht auch zu Hause“, sagte er weiter.

Dennoch war Vrabec weit davon entfernt, siegestrunken in Euphorie zu verfallen. „Wir hätten in vielen Situationen besser agieren können, hatten unnötige Ballverluste und haben es in der ersten Halbzeit verpasst, Torchancen zu kreieren. Da haben wir oft die falsche Entscheidung getroffen und damit das Spiel langsam gemacht“, sagte der Trainer weiter. Der Schlüssel zum Erfolg sei gewesen, dass sein Team nach dem 0:1-Rückstand schnell den Ausgleich erzielt habe. „Es hat uns am Leben gehalten, dass wir so schnell zurückgekommen sind“, analysierte Vrabec treffend.

Einen auch persönlich ganz speziellen Abend hatte der noch 20 Jahre junge Philipp Ziereis erlebt. Erstmals überhaupt durfte der Defensivspezialist gegen Union Berlin ein Pflichtspiel für den FC St. Pauli bestreiten, und das sogar in der Startelf als Vertreter des verletzten Christopher Buchtmann auf der wichtigen „Sechser“-Position im Mittelfeld. Es war eine glückliche Fügung, dass sich seine Eltern aus der Oberpfalz gerade auf Hamburg-Besuch befinden. So konnten sie live im Stadion das St.-Pauli-Debüt ihres talentierten Sohnes miterleben. „Am Anfang musste ich mich erst einmal ins Spiel hineinfinden. Aber als die ersten Pässe angekommen sind, habe ich mir auch mehr zugetraut“, erzählte Ziereis, der in der 75. Spielminute mit Wadenkrämpfen gegen Bernd Nehrig ausgewechselt werden musste. „Er ist ein Spieler, der strategisch gut agiert und war jetzt auch mal an der Reihe“, sagte Trainer Vrabec.

Sofern sich die Hoffnung auf eine wieder entdeckte Heimstärke in den Spielen bis zum Saisonende tatsächlich erfüllen und gleichzeitig die in den vergangenen Monaten demonstrierte Auswärtsstärke (sechs Siege in den jüngsten acht Spielen) nicht verloren gehen sollte, ist für den FC St. Pauli der Bundesliga-Aufstieg keineswegs unrealistisch, auch wenn dies offiziell weiter kein Thema ist. „Erst wenn wir auch Ende April noch auf Tuchfühlung mit den Teams an der Spitze sind, werden wir auch mehr wollen“, sagte Innenverteidiger Markus Thorandt.