Im Sommer verliert das Millerntorstadion auch seine Flutlichtmasten und damit ein weiteres Charaktermerkmal. So weit, dass das Stadion einen Sponsornamen trägt, wird es beim FC St. Pauli aber nicht kommen.

Hamburg. Wer vom besonderen Flair des Millerntorstadions spricht, denkt insbesondere an Abendspiele des FC St. Pauli unter Flutlicht. Schon aus großer Entfernung ist der helle Schein der Lampen zu erkennen, die an den hohen Masten installiert sind. Besonders stimmungsvoll ist das Ganze, wenn nebenan auf dem Heiligengeistfeld auch noch der Dom läuft und dort das Riesenrad oder andere atemberaubende Fahrgeschäfte in Sachen Höhe den Flutlichtmasten Konkurrenz machen.

Doch dieses Bild wird es in dieser Form bald nicht mehr geben. Im Zuge des weiteren Neubaus des Stadions sollen nach der derzeitigen Planung auch die Flutlichtmasten fallen. „Aufgrund des aktuellen baulichen Zustandes müssten sie renoviert oder ganz ersetzt werden. Wegen der damit verbundenen Kosten und auch der späteren Ausgaben für die Instandhaltung werden wir auf die Masten verzichten“, erläutert St. Paulis Geschäftsführer Michael Meeske. „Schon jetzt wird das Spielfeld vom Flutlicht, das auf den Dächern der neuen Haupttribüne, der neuen Gegengeraden und der Südtribüne installiert worden ist, ausreichend und gleichmäßiger beleuchtet“, sagt Meeske weiter.

Bereits seit geraumer Zeit ist übrigens einer der ursprünglich vier Masten – fast unbemerkt vom Publikum – nicht mehr vorhanden. Er war schon beim Bau der Verbindung zwischen der Haupt- und Südtribüne entfernt worden. Die restlichen drei Masten werden dann im Zuge des Abbaus der bisherigen Nordtribüne fallen.

Damit wird eine 26 Jahre alte, durchaus turbulente Geschichte rund um die Flutlichtanlage zu Ende gehen. Parallel zum Bundesligaaufstieg 1988 schaffte der FC St. Pauli unter der Führung seines damaligen Präsidenten Heinz Weisener die vier Masten und die dazu gehörigen Lampen für 692.000 Mark an. Gut vier Jahre später verkaufte der in finanzielle Schwierigkeiten geratene Club die Anlage für 550.000 Mark an die CDL Leasing GmbH & Co. KG und zahlte fortan monatliche Raten von 12.265 Mark an CDL. 1998 kaufte der FC St. Pauli die Anlage zum Preis von nur einer Monatsrate von CDL zurück, verkaufte sie 1999 zusammen mit der Gegengeraden-Tribüne für 150.000 Mark an die seinem Präsidenten gehörende Weisener KG, die wiederum beides für 2,32 Millionen Mark erneut an CDL verkaufte. Fortan zahlte die Weisener KG Leasingraten von monatlich 94.000 Mark, der FC St. Pauli besaß ein kostenloses Nutzungsrecht. Jahre später wurde der Club wieder Eigentümer.

Mit dem Abbau der Flutlichtmasten verlieren der FC St. Pauli und sein Millerntorstadion ein weiteres, seit zweieinhalb Jahrzehnten existierendes Markenzeichen. Bundesweit ist dies allerdings längst kein Einzelfall. Auch die markanten, leicht gebogenen Masten des alten Volksparkstadions fielen dem Neubau des HSV-Stadions vor rund 15 Jahren zum Opfer. Ähnlich war es beim Umbau des Niedersachsenstadions in Hannover, das jetzt, einheitlich überdacht, als HDI-Arena firmiert. „Wir haben das mit den Fans auch diskutiert, weil uns bewusst ist, dass traditionelle Fußballstadien gerade auch durch ihre Flutlichtmasten von Weitem zu sehen sind und einen Wiedererkennungswert besitzen. Aber das Kostenargument hat die Mehrheit überzeugt“, sagt Meeske.

So weit, dass das Stadion einen Sponsornamen trägt, wird es beim FC St. Pauli allein schon aufgrund eines Mitgliederbeschlusses vorerst nicht kommen. So bewahrt der Kiezclub eine gewisse Tradition. Einen Kompromiss fand man beim Neubau der Gegengeraden, auf der von den 13.000 Plätzen allein 10.000 Stehplätze sind und damit das Flair der alten Tribüne so weit wie möglich erhalten blieb.

Davon kann beim Kabinentrakt für die Spieler kaum mehr die Rede sein. Die zeitgemäßen Umkleideräume und Duschen sind seit dem Neubau im Erdgeschoss der Südtribüne untergebracht. Nur noch ältere Spieler und lang gediente Trainer erinnern sich an die bizarren Verhältnisse, als die engen, schmuddeligen Umkleiden im Keller des Clubheims untergebracht waren. Am vergangenen Wochenende dachte auch Bochums Trainer Peter Neururer noch einmal daran: „Das alte Clubheim und die Kabinen waren der Wahnsinn. Man ging die Treppe runter und bei Zeugwart ,Bubu‘ Bubke noch eine rauchen. Das war überragend.“

Auch die aktuellen Vorstandsmitglieder, die den Stadionneubau seit Jahren organisieren und vorantreiben, empfinden ein bisschen Wehmut, dass immer weniger vom früheren Millerntorstadion übrigbleibt. „Bei mir schlagen zwei Herzen in der Brust“, hatte Vizepräsident Jens Duve zur Eröffnung der Gegengeraden in einem Abendblatt-Interview gesagt. Er selbst hatte das alte Stadion als Verteidiger und Kapitän der Aufstiegsmannschaft 1988 erlebt und war einer der ersten Profis, die im hellen Schein der damals neuen Flutlichtanlage im Millerntorstadion aufliefen.

Die Entwicklung des Millerntorstadions von einer baufälligen Spielstätte zu einem fast fertigen, modernen, zweckmäßigen Stadion, zu dem auch Logen und große VIP-Säle gehören, hat auch Kapitän Fabian Boll miterlebt. Nun nimmt er selbst am Saisonende Abschied als aktiver Spieler, der viele Fußballschlachten im Flutlicht von den alten Masten erlebt und geprägt hat.