Das 0:3 gegen Köln ist die höchste Heimniederlage der Saison und deckt die Defizite des Teams schonungslos auf, bringt aber auch einige positive Erkenntnisse hervor.

Hamburg. Nein, Fußball im Fernsehen wollte sich Roland Vrabec am Sonnabend nicht anschauen. Der Trainer des FC St. Pauli widmete sich nach dem Morgentraining lieber seiner Familie, als die beiden Spiele der Zweitliga-Konkurrenten und danach die Partien der Bundesliga am Fernseher oder gar vor Ort zu verfolgen. Mit dem Oberhaus des deutschen Fußballs müssen sich die sportlich Verantwortlichen des Millerntor-Clubs derzeit beruflich ohnehin nicht schwerpunktmäßig befassen. Nach der 0:3-Heimniederlage am Freitagabend gegen den neuen Tabellenführer 1. FC Köln sind die vagen Aufstiegshoffnungen, die rund um den Kiezclub nach den beiden Siegen zuvor hier oder dort schon aufkamen, zunächst einmal wieder Makulatur.

Die Erkenntnisse aus der höchsten Heimniederlage der Saison sind allerdings längst nicht so eindimensional wie es das deutliche Ergebnis vermuten lässt. Zweifellos negativ einzuordnen sind die krassen Fehler, die zum ersten und dritten Gegentor jeweils nach einem Eckball führten. Es zieht sich bereits durch die gesamte Saison, dass die Defensive des FC St. Pauli – ausdrücklich inklusive Torwart Philipp Tschauner – bei gegnerischen Eckbällen große Probleme hat.

Schwachpunkt Nummer zwei ist die viel zu ineffektive Chancenverwertung. „Wir haben in den jüngsten drei Spielen insgesamt zehn bis zwölf hochkarätige Torchancen liegen gelassen“, sagte Vrabec und fasste damit die drei Partien zusammen, in denen er als Cheftrainer verantwortlich war. Gegen Cottbus (3:0) und in Aalen (1:0) fiel dieses Manko nicht entscheidend ins Gewicht, wobei schon der Auswärtssieg bei den Aalenern in der Schlussphase völlig unnötig in Gefahr geraten war.

Gegen das Spitzenteam aus Köln nun verhinderte die mangelhafte Ausnutzung der eigenen Torchancen, dass die Partie auch vom Ergebnis her annähernd so ausgeglichen sein konnte wie das Geschehen auf dem Rasen. „Ich hätte ein Tor machen müssen“, sagte Jan-Philipp Kalla selbstkritisch zur Szene in der 58. Minute, als er von Fin Bartels mustergültig freigespielt worden war. Es wäre der Anschlusstreffer zum 1:2 gewesen. „Dann wäre es noch einmal ein enges Spiel geworden“, war sich Vrabec sicher. Schon in der ersten Halbzeit hatte Bernd Nehrig eine eine grandiose Chance zum 1:1 vergeben.

Am Ende klang es in den Ohren der St. Paulianer fast wie Hohn, dass sich Kölns Trainer Peter Stöger auf der Pressekonferenz auf eine kritische Nachfrage eines Kölner Journalisten rechtfertigen musste, dass sein Team in der Abwehr in so viele Verlegenheiten wie noch nie in dieser Saison gestürzt worden war. „Wir haben gegen einen sehr guten Gegner gespielt. Da kann man nicht alles unterbinden“, sagte Stöger.

Diese Einschätzung kann zu Recht als Beleg gewertet werden, dass der FC St. Pauli unter Trainer Vrabec einen Weg eingeschlagen hat, der auf Sicht Erfolg verspricht. Wie zuvor angekündigt zeigte sich das Team gegen den personell erstligareif besetzten Gegner couragiert und offensiv orientiert und zog dies bis zum Schlusspfiff durch, obwohl es 0:3 stand und das Team nach der Roten Karte gegen Innenverteidiger Sören Gonther auch noch dezimiert war. „Wir wollen eine Spielweise kreieren, mit der wir für eine ganz bestimmte Art von Fußball stehen“, kündigte Vrabec an.

Dies war ein feiner Seitenhieb auf seinen Vorgänger Michael Frontzeck, unter dem es dem Team gerade auch in Heimspielen oft an Mut zur Offensive gemangelt hatte. „Ich erinnere mich an Spiele wie gegen Paderborn, den FSV Frankfurt oder den SV Sandhausen, als die Parteien so dahingeplätschert sind. Obwohl wir da zum Teil auch gepunktet haben, waren wir nicht richtig zufrieden“, sagte Vrabec. So sieht es offenbar auch die Mehrheit unter den Anhängern. Gab es nach dem 0:0 vor einigen Wochen gegen Sandhausen trotz des „Punktgewinns“ die Höchststrafe, nämlich eisiges Schweigen auf den Rängen, so wurde die Mannschaft nach dem 0:3 gegen Köln mit Anfeuerungsrufen und einem „You’ll Never Walk Alone“ beim Gang in die Kabine begleitet.

Auch St. Paulis Sportchef Rachid Azzouzi bewertete das Auftreten des Teams positiv: „Ich bin zufrieden mit der Art und Weise, wir hier Fußball gespielt haben. Wir sind auf dem richtigen Weg.“ So gesehen war das Spiel auch für Roland Vrabec trotz der klaren Niederlage kein entscheidender Rückschlag in seinem Bemühen, auch nach der Winterpause das Amt des Cheftrainers ausfüllen zu dürfen.

Doch noch ist die Bilanz des FC St. Pauli gegen die fünf Teams, die mit den Hamburgern im oberen Tabellendrittel stehen, mäßig. Von 15 möglichen Punkten ergatterte St. Pauli lediglich vier, das Torverhältnis liegt bei 7:12. Auch dies zeigt, dass St. Pauli noch kein Spitzenteam ist. „Aber wir sind recht nah dran und wollen es bleiben“, sagt Vrabec.