St. Paulis Cheftrainer verzichtet vor Cottbus-Spiel auf Hotelvorbereitung. DFB-Ausbilder Wormuth schwärmt von ihm

Hamburg. Mutig, voller Überzeugung – das ist die Maßgabe, erklärt Roland Vrabec immer und immer wieder. Es sind diese Worte, die St. Paulis neuer Cheftrainer auf seiner ersten Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Energie Cottbus an diesem Montag (20.15 Uhr, Sky und Sport 1 ) ganz bewusst verwendet. So wie er sich präsentiert, erfrischend und angriffslustig, so soll auch der Fußball seiner Elf aussehen. „Nicht ein bestimmtes System ist wichtig, sondern dass die Spieler Überzeugung leben, innere Stärke entwickeln“, sagt der Nachfolger des am Mittwoch beurlaubten Michael Frontzeck. Das könne ein einziges Spiel auslösen, gar eine Situation, führt der 39-Jährige aus.

Der „No-Name-Trainer“, wie Vrabec bereits betitelt wurde, hat klare Visionen. Als erste Maßnahme strich er die gemeinsame Vorbereitung im Hotel vor dem Heimspiel. „Ich hatte das Gefühl, dass dort oftmals die Spannung etwas verloren ging, man träge wird. Frühstück, Mittagessen, Abfahrt – alles wird den Spielern abgenommen, die Jungs mussten gar nicht mehr denken. Ich möchte, dass die Spieler von zu Hause kommen, auf dem Weg vielleicht schon Fans sehen, das Kribbeln spüren und sich die Energie überträgt“, erklärt der 39-Jährige.

Für seine etwas anderen Herangehensweisen schätzt auch DFB-Chefausbilder Frank Wormuth seinen ehemaligen Schüler. 2010 absolvierte Vrabec erfolgreich die Ausbildung zum Fußballlehrer, der höchsten deutschen Lizenz. „Seine Fachkompetenz war ausgezeichnet. In den Trainingsformen hat er auch mal was riskiert, ist sehr innovativ gewesen“, erinnert sich Wormuth. Auch deshalb hatte Ex-Nationalspieler Christian Ziege, der genau wie Markus Babbel und Braunschweigs Coach Torsten Lieberknecht im Jahrgang Vrabecs war, ihn anschließend zu seinem Co-Trainer in der deutschen U19-Nationalmannschaft berufen. „Man hat in ihm auf dem Platz immer gleich den Trainer gesehen. Er hat sich gut ausgedrückt, war klar und prägnant“, lobt Wormuth. Fehler habe Vrabec immer knallhart und direkt angesprochen. „Das kommt sicher nicht bei jedem gut an, aber er hat immer die Richtung vorgegeben, war ein echter Profi“, erläutert Wormuth.

Anders als viele seiner Kollegen spielte Vrabec selbst nie Profifußball. Spielvereinigung Oberrad 05 und Croatia Frankfurt hießen seine Stationen als zentraler Mittelfeldspieler und Libero in der dritten, vierten und fünften Liga. Schon im Alter von 26 Jahren beendete Vrabec seine aktive Laufbahn. „Ich war ein absoluter Amateurspieler“, gibt der gebürtige Frankfurter unumwunden zu: „Ich hatte nie das Bestreben nach mehr, das interessierte mich nicht. Ich wollte Trainer werden, um Spieler zu entwickeln.“ Ein Studium der Sportwissenschaften (Nebenfach Sportmedizin) und die Trainerausbildung ebneten diesen Weg, an dessen Ende immer das Amt des Cheftrainers stehen sollte. Über die Stationen FSV Frankfurt (U17- und U19-Trainer), Mainz 05 (U17-Trainer, U23-Co-Trainer und Chefscout), U19-Nationalmannschaft und Lokomotive Leipzig (Co-Trainer) landete Vrabec im Sommer beim FC St. Pauli, wo er sich ursprünglich für den Job als Trainer der zweiten Mannschaft beworben hatte. Diesen bekam Thomas Meggle, doch weil Vrabec überzeugte, holte Sportchef Rachid Azzouzi ihn in Frontzecks Trainerteam.

Nach nur vier Monaten bekommt der Vater zweier Söhne seine große Bewährungschance: Sechs Spiele bis zur Winterpause hat Vrabec Zeit, um sich als Cheftrainer des Kiezclubs zu etablieren. Wormuth traut ihm diese Rolle zu. „Vrabec ist ein echter Typ – einer wie Stanislawski oder auch Frontzeck. Er passt mit seiner Art zu St. Pauli.“

Optisch und in Sachen Aktivität an der Seitenlinie dürfte der kahlrasierte Dreitagebart-Träger von seinen Vorgängern kaum zu unterscheiden sein. „Ich nehme mir immer vor, während des Spiels sitzen zu bleiben, aber das klappt natürlich nie“, sagt Vrabec grinsend: „Ich bin da schon sehr emotional, versuche vielleicht meinen Stress abzubauen. Wenn ich in die Kabine gehe, bin ich aber wieder sachlich.“ Denn die spielerische Linie seiner Mannschaft solch sich unbedingt vom Großteil der bisherigen Auftritte in dieser Saison ändern. „Vom Ergebnis und der Art und Weise waren wir nicht zufrieden“, sagt Vrabec. Setzen St. Paulis Profis die Maßgabe ihres Chefs gegen Cottbus bereits um, dürfen sich die Zuschauer am Millerntor auf ein Vollgas-Spektakel freuen. „Gegen eine Mannschaft, die unten steht und verunsichert ist, müssen wir schon in den ersten zehn Minuten klar machen, dass hier nichts zu holen ist“, sagt Vrabec. Mut und Überzeugung – daran mangelt es St. Paulis neuem Coach ganz sicher nicht.