St. Paulis Torhüter gilt als Rückhalt seiner Mannschaft, ist klare Nummer eins im Kasten. Gegen Köln muss er aber die Fehler abstellen.

Hamburg. Der Ablauf muss stimmen. Das Tapen der Finger und Handgelenke, das erste Warmmachen in der Kabine, rausgehen, immer als Erster, und die üblichen Übungen abspulen, die Konzentrationsphase bevor es losgeht. So wird sich Philipp Tschauner auch heute auf das Spiel des FC St. Pauli gegen den 1. FC Köln (20.15 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) vorbereiten. Störungen der Rituale sind höchst unbeliebt, sie führen zu Ablenkung und können Auswirkungen auf die Konzentration haben. "Philipp ist unglaublich fokussiert vor dem Spiel und fixiert auf gewisse Rituale", sagt Mathias Hain, sein Torwarttrainer. Hain kennt das aus eigener Erfahrung, aus seinen knapp 350 Profispielen. "Philipp muss lernen, die richtige Mischung aus Entspannung und Anspannung zu finden." Das hat in dieser Saison nicht immer geklappt.

Philipp Tschauner ist ein großer Rückhalt für seine Mannschaft und hat einen dementsprechenden Status bei seinen Mitspielern. Er genießt volles Vertrauen von der gesamten sportlichen Leitung, ist die klare Nummer eins vor Benedikt Pliquett und Robin Himmelmann und hat seiner Mannschaft in dieser Saison durch starke Leistungen und Paraden schon den ein oder anderen Punkt gerettet. Es gibt Leute, die sagen, dass Tschauner das Potenzial habe in der Bundesliga zu spielen. Wer jedoch diese Saison verfolgt und die gesamte Karriere von Philipp Tschauner betrachtet, der merkt schnell, woran es hapert. Die Leistungen des Keepers sind nicht konstant genug. Er leistet sich zu viele entscheidende Fehler und Aussetzer. So wie am vergangenen Sonntag beim zwischenzeitlichen 0:3 in Sandhausen, so wie beim 0:2 im Hinspiel in Cottbus, als er sich dem Niveau seiner Mannschaft anpasste und einen rabenschwarzen Tag erwischte. In den Spielen gegen Duisburg, Dresden und im DFB-Pokal gegen den VfB Stuttgart kassierte er Tore, bei denen er zumindest unglücklich aussah. In der Vorsaison ließ er in Braunschweig einen leichten Ball durch die fangbereiten Arme gleiten. Tschauner hat in dieser Saison 72,34 Prozent der Bälle, die auf sein Tor kamen, gehalten, neunmal glänzte er mit besonderen Paraden. Das unterstreicht die Ambivalenz in Tschauners Leistungen. Zum Vergleich: Die Torhüter der Top-drei-Vereine Hertha BSC, Eintracht Braunschweig und Kaiserslautern erreichen eine höhere Prozentzahl an gehaltenen Bällen, zeigen aber bis auf Lauterns Tobias Sippel weit weniger spektakuläre Paraden.

"Wir sehen diese Schwankungen nicht", sagt Tschauner, "wir betrachten das anders. Es geht einfach immer darum, wie ich bestimmte Situationen besser lösen kann." Fehler wie den in Sandhausen braucht Torwarttrainer Hain gar nicht mehr ausgiebig ansprechen. "Philipp weiß genau, was schief gelaufen ist", sagt er. Es sei eine Frage der Konzentration. "Mit zunehmender Erfahrung wird er das abstellen", ist Hain überzeugt. "Er ist unheimlich lernwillig, auch was die Verantwortung für Fehler und für die Mannschaft angeht. Ich sehe, dass er mit viel Willen und Biss an sich arbeitet." Ein weiterer Schwachpunkt Tschauners: Seine Spieleröffnung. Viele seiner geschlagenen Bälle aus dem Spiel heraus landen beim Gegner oder im Seitenaus. Das sei nicht ideal, sagt Hain, aber auch in diesem Bereich seien Fortschritte zu erkennen.

Ebenso bei der Verarbeitung seiner Fehler. Der 27-Jährige weiß, dass fast jeder Fehler ein Tor zur Folge hat, dass er dann stets im Fokus steht und Kritik über sich ergehen lassen muss. Er hat gelernt, damit umzugehen und seine Patzer besser wegzustecken und zu akzeptieren. "Ich komme mittlerweile gut damit klar und bin sehr resolut in der Selbstanalyse." Die einzigen Kritiker, auf die er etwas gibt, sind Trainer Michael Frontzeck, Mathias Hain und seine Mitspieler, in dieser Reihenfolge.

Dass er eigene Fehler schnell abhaken kann, spricht für sein Selbstvertrauen, das er sich beim FC St. Pauli mit der Zeit erarbeitet hat. Es gibt ihm Zeit, sich in schwierigen Situationen auch mit der Mannschaft auseinanderzusetzen und seinen Teil beizutragen, dass es wieder bergauf geht. Im Spiel selbst, wenn er merkt, dass es nicht läuft, könne er wenig tun, außer seine direkten Vorderleuten zu unterstützen, zu motivieren, ihnen Sicherheit zu geben. Doch auch außerhalb des Platzes ergreift Tschauner durchaus das Wort, sagt klar seine Meinung und wird gehört. Auch das ist ein Grund dafür, dass ein Torwartwechsel bei St. Pauli nicht diskutiert wird.

Nach dem 1:4-Debakel in Sandhausen habe es mehrere Spieler gegeben, die auf den Tisch gehauen haben, "ich gehöre dazu", sagt Tschauner, der in der Trainingswoche vor dem Spiel gegen Köln eine positive Anspannung in der Mannschaft ausgemacht haben will. "Jeder weiß, worum es geht", sagt er. Ziel muss es sein, auch wieder Phasen der Entspannung zu erreichen.