Vor der Mitgliederversammlung und den Spielen beim Tabellenersten und -dritten gelingt St. Pauli der höchste Sieg der Saison.

Hamburg. Selbst Philipp Tschauner hatte sich aufgemacht und die gesamte Platzlänge im Sprint überwunden. Wie ein Magnet schien Mahir Saglik nach seinem Treffer in der 89. Minute zum 4:1-Endstand gegen den MSV Duisburg die weißen Trikots anzuziehen. Die gesamte Mannschaft herzte und knuddelte ihren Angreifer, alle Mitspieler überbrachten die tatsächlich herzlichen Glückwünsche persönlich, ehe Saglik nach der Jubelorgie seinerseits Küsschen verteilte und den Rasen knutschte. Es war das märchenhafte Ende eines gelungenen Nachmittags, der den 21 054 Besuchern am ausverkauften Millerntor erstmals in dieser Spielzeit vier Treffer des FC St. Pauli und damit den höchsten Saisonsieg bescherte und als i-Tüpfelchen dann noch ein echtes Happy End bereithielt.

Ausgerechnet Saglik, der seit dem Start von Trainer Michael Frontzeck am 8. Oktober keine Hauptrolle mehr erhalten hatte. Der 29-Jährige als Opfer des Systems, das seit sechs Wochen nur noch einen Stürmerplatz bietet. Eine Stellenkürzung um 50 Prozent, die dafür sorgte, dass Saglik in den sechs Pflichtspielen unter Frontzeck lediglich zehn Minuten Zeit bekam, um sein Können zu zeigen. Leidensgenosse Marius Ebbers schaffte es auf 137 Einsatzminuten. Gegen Duisburg nun genügten dem Türken sieben, um nach überlegtem Pass von Dennis Daube sein erstes Ligator zu feiern. In der 82. Minute war er für Daniel Ginczek gekommen, der mit dem sechsten Saisontor (18.) seine Position als Stürmer Nummer eins zuvor einmal mehr gefestigt hatte.

Sein 1:0 deutete die einseitige Partie früh an. St. Pauli zeigte erneut eine hervorragende Defensivleistung, konnte durch eine gute Ordnung, passables Stellungsspiel, Einsatz- und Laufstärke für viele Ballgewinne sorgen und ließ damit wie so häufig in den vergangenen Wochen kaum Torchancen zu. Dass es im Duell mit der schwächsten Offensive der Liga dennoch spannend wurde, fand seine Ursache dann auch in den eigenen Reihen. Torwart Philipp Tschauner verpasste es in der Nachspielzeit der ersten Hälfte einmal mehr, eine Flanke souverän abzufangen. Und so tropfte der von der Außenlinie eigentlich ungefährlich geschlagene Ball Benjamin Kerns einmal im Strafraum auf und zwischen den gleichermaßen verdutzten wie tatenlosen Florian Kringe und Tschauner hindurch ins Netz. "Das war ein Kommunikationsproblem. Ich schreie: ,Hochgehen', und es passiert nichts. Ein Eiertor", sagte Tschauner, der St. Pauli nach seiner herausragenden Leistung beim 0:1 in Berlin in Abwesenheit des Rekonvaleszenten Fabian Boll erstmals als Kapitän auf das Feld geführt hatte. "Tschauni und ich haben das in der Halbzeit besprochen. Das ist anderen auch schon passiert, und nach dem Sieg können wir darüber lachen", hatte Kringe den Fauxpas schnell abgehakt.

St. Pauli benötigte acht Minuten, um den Unfall Mitte der zweiten Halbzeit wieder zu reparieren. Mit einem Doppelpack (66./74.), seinem ersten im Trikot der Hamburger, belohnte Fin Bartels das jetzt phasenweise sehenswert kombinierende Kollektiv. Die Entscheidung aber besorgte Duisburgs Zvonko Pamic, der nach zwei Foulspielen an Florian Mohr (49./67.) vom unsicheren Unparteiischen Sascha Stegemann folgerichtig Gelb-Rot erhielt. "Das hat uns in die Karten gespielt, aber die Tore waren auch keine Zufallsprodukte", bemerkte Frontzeck richtig, "nach dem gelinde gesagt vermeidbaren Gegentor war es außergewöhnlich, wie die Mannschaft damit umgegangen ist."

Während die ohne acht verletzte potenzielle Stammspieler angetretenen Duisburger große personelle, finanzielle und auch sportliche Sorgen plagen, konnte sich Frontzecks Elf etwas Luft verschaffen und erwischte den erhofften Start in die Woche des Jahres, die neben den Partien am Mittwoch beim Tabellenführer Braunschweig und am Sonnabend gegen die einzige im Profifußball ungeschlagene Mannschaft, den 1. FC Kaiserslautern, heute (18.30 Uhr, CCH) zunächst die brisante Jahreshauptversammlung (Abendblatt berichtete) vorsieht. "Ich bin optimistisch, dass wir in Braunschweig etwas holen können", sagt Bartels, und auch die Kollegen blickten positiv nach vorn: "Ich hoffe, das war ein kleiner Befreiungsschlag", so Ginczek, der nach seiner fünften Gelben Karte allerdings beim Spitzenreiter fehlen wird, auch aufgrund der Schlussminuten gegen den MSV aber kein Problem erkennt: "Wir haben genug Qualität vorne drin."