St. Paulis Spieler wollen dem 1. FC Köln heute (20.15 Uhr im Liveticker) die nächste Niederlage beibringen. Ex-Trainer Stanislawski unter Druck.

Hamburg. Die Themenpalette war breit gefächert. "Es ging um Spielaufbau, Zweikampfverhalten, Aggressivität, hohes Verteidigen, frühes Attackieren. Schließlich wollen wir unsere offensive Orientierung beibehalten", so André Schubert zu den Schwerpunkten vor dem heutigen Spiel beim 1. FC Köln (20.15 Uhr/Sport1 und Liveticker auf abendblatt.de). Doch auch wenn der 41-Jährige nicht darauf einging, vor allem drehten sich die Diskussionen trotz aller sportlichen Brisanz im Vorfeld um einen anderen Sachverhalt. Am Rhein wie an der Elbe vergeht seit Wochen kein Tag, an dem nicht die besondere Konstellation des Aufeinandertreffens herausgestellt wird: Holger Stanislawski, jenes braun-weiße Urgestein, das 18 Jahre am Millerntor als Spieler, Sportchef, Vizepräsident und Trainer gewirkt hatte, tritt erstmals gegen seinen alten Klub an. Was alle seit dessen emotionaler Verabschiedung am 13. April 2011 befürchtet, erwartet oder auch erhofft hatten, wird Realität: Stani vs. St. Pauli, Teil eins.

Und es ist keineswegs ausgeschlossen, dass seine große alte Liebe nun entscheidenden Anteil daran hat, ob es überhaupt zu einer weiteren Auflage kommen wird. Nach vier Spieltagen wartet der Trainer mit seiner Mannschaft noch auf den ersten Sieg. Lediglich ein Tor gelang den Kölnern in sechs Stunden Zweiter Liga. Saisonübergreifend ist der FC seit 13 Partien ohne Erfolg. Das letzte Spiel, in dem mehr als ein Treffer gelang, datiert gar vom 10. Dezember 2011! Was passiert bei einer weiteren Pleite? "Es ist schwer, dies als Außenstehender zu bewerten, aber ich denke, Stani ist im Moment grundsätzlich noch sicher. Sollten da jetzt noch weitere Spiele kommen, die ähnlich wie die ersten laufen, wird es allerdings auch für ihn eng", sagt St. Paulis Angreifer Marius Ebbers, den Stanislawski 2008 einst nach Hamburg gelotst hatte. Ebbers weiter: "Ich wünsche es ihm nicht, aber wir werden Stani jetzt nicht helfen können." Keine Geschenke für den Anführer der alten Aufstiegsgang, wie er sich und seine Mannschaft nach dem Weg von der Regionalliga in die Bundesliga selbst einmal bezeichnet hatte. Keine Rücksicht auf Stanislawski.

Der ehemalige Coach, dessen Spielernummer 21 bei St. Pauli nicht mehr vergeben wird, ist dem Klub emotional immer noch verbunden. Er erwägt heute, vor dem Spiel den Aufstiegsring über den Finger zu streifen, hält noch Kontakt zu den Mittelfeldspielern Fabian Boll und Florian Bruns, meldet sich gelegentlich bei Spielorganisator Siggi Dous oder tauscht SMS mit Medienchef Christian Bönig aus, hat aber auch einige Brücken an den Kiez abgebrochen. "Wir brauchen die Punkte, und letztendlich ist es wurscht, gegen wen du spielst: Barcelona, Real Madrid oder St. Pauli", sagt die Hauptfigur selbst, versucht die besondere Situation für sich und seine beiden Assistenztrainer André Trulsen und KaPe Nemet aber gar nicht erst herunterzuspielen. "Wir als Dreigestirn haben mehr Jahre St. Pauli auf dem Buckel als alle, die da jetzt tätig sind, zusammen", sagt er und fügt nicht ohne Stolz an: "Wir haben damals einiges für diesen Verein auf den Weg bringen können, sodass der FC St. Pauli jetzt gut dasteht. In einer Zeit, die ähnlich schwer war wie jetzt hier, mit ganz vielen Schwierigkeiten im Rucksack."

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Der Druck liegt heute - auch wenn St. Paulis Saisonstart mit fünf Punkten ebenfalls nicht planmäßig verlief - bei den Kölnern. "Ich erwarte ein heißes Spiel. Die müssen, wir wollen drei Punkte haben. Sie haben den höheren Druck", sagt Ebbers, der als 15. Spieler der Geschichte in den 100-Tore-Klub der Zweiten Liga einziehen könnte. Es wäre ein Treffer gegen seinen Ex-Klub. Christopher Buchtmann und Florian Kringe, der wegen muskulärer Probleme nicht auflaufen kann, trugen ebenfalls das Trikot mit dem Geißbock, während auf Kölner Seite mit dem an Achillessehnenproblemen laborierenden Matthias Lehmann noch ein ehemaliger St. Paulianer auf seinen Einsatz hofft. Eigentlich stört bei dem großen Wiedersehen nur die auf beiden Seiten ungemütliche Tabellensituation. Man kennt, man schätzt sich. Was auch für die Trainer gilt.

"Ich finde es toll, dass ein Spieler oder Trainer überhaupt so lange bei einem Verein wirken kann", sagt Schubert, befragt nach dem alles überlagernden Thema, "und es ist doch klar, dass, wenn einer so lange einen Verein geprägt hat, er dann noch viele Freunde und Beziehungen zum Klub hat. Es belastet mich auch nicht, dass er seinen Ring aufzieht." Wenngleich er das Ausmaß des Themas nicht nachvollziehen kann: "Wir spielen nicht gegen Holger Stanislawski, wir spielen gegen den 1. FC Köln. Es sei denn, Stani läuft selbst auf. Aber dann würde ich kontern und Schulle (Co-Trainer Timo Schultz, d. Red.) spielen lassen. Aber noch mal: Da spielen nicht zwei Trainer, sondern zwei Mannschaften gegeneinander." Und auch wenn von seinen "alten Jungs" keine Freundschaftsdienste zu erwarten sind, kann sich Stanislawski Unterstützung sicher sein. "Ganz klar", sagt Kölns Torwart Timo Horn, "wir holen den Sieg für Stani."