Private Darlehensgeber werden ausbezahlt, der Verein wird finanziell unabhängiger

Hamburg. Es gab Zeiten beim FC St. Pauli, da waren sie froh, wenn ihnen überhaupt jemand Geld zur Verfügung stellte. Und zugegeben, es bedurfte schon eines verstärkten Sinns für riskante, spekulative Finanzgeschäfte, um dem Kiezklub frisches Geld zur Verfügung zu stellen. Entsprechend schlecht waren aus Vereinssicht die Konditionen. Alte Geschichten vom einstigen Chaosklub - und ab sofort auch alte Geschäftsbeziehungen. Nach Abendblatt-Informationen hat die Vereinsspitze mit allen privaten Investoren und Kreditgebern, darunter auch der ehemalige Präsident Corny Littmann, Einigkeit über eine vorzeitige Ablösung der verschiedenen Darlehen erzielt. Bis zum Jahresende wird der Klub diesbezüglich keine finanziellen Verpflichtungen mehr haben. Der FC St. Pauli gewinnt an Unabhängigkeit.

Nach der Bereinigung im Darlehensbereich bestehen noch die im Rahmen der infrastrukturellen Großprojekte (Neubau des Millerntor-Stadions und Erweiterung des Trainingsgeländes an der Kollaustraße) aufgenommenen Bankkredite sowie die mit einer Laufzeit bis 2018 aufgelegte Anleihe, die mit ihrem Erfolg erst die neue Situation möglich machte. Acht Millionen Euro investierten die Zeichner aus Verbundenheit zum Klub, aber auch dank der jährlichen Verzinsung von sechs Prozent. Noch vor neun Jahren gingen die Verantwortlichen mit dem "Retter"-Hut bettelnd durch den Stadtteil, putzten fleißig Klinken.

Heute bemüht das Finanzmanagement um den Banker und Vereinsvizepräsidenten Tjark Woydt den Kapitalmarkt. St. Pauli hat auch hier an Attraktivität gewonnen. Im Rahmen der Anleihe muss der Klub in diesem Jahr erstmals eine konsolidierte Bilanz vorlegen. "Ja, wir werden dadurch die Hosen runterlassen müssen, ziehen uns nackt aus", hatte Woydt bereits bei der Vorstellung des neuen Finanzierungsmodells 2011 erklärt. Doch es ist ein Striptease ohne Scham.

Auch im Geschäftsjahr 2011/12 wird trotz des Bundesligaabstiegs im Mai 2011 eine schwarze Zahl unter dem dicken Strich auftauchen. Die Wirtschaftsprüfer werden ihre Arbeit zwar erst in der kommenden Woche abgeschlossen haben, dürften am Ende aber den intern prognostizierten Gewinn von etwa 200 000 Euro bestätigen. Es gibt wieder mal mehr Spielgeld für St. Paulis Kasse, allein auf dem Vermarktungssektor lagen die Einnahmen um mehr als 500 000 Euro höher als prognostiziert. Einen "erfreulichen Trend" hat Geschäftsführer Michael Meeske ausgemacht.

Und so geht der FC St. Pauli trotz erwarteter Mindereinnahmen in Höhe von einer Million Euro beim TV-Geld (6,2 Millionen Euro) erneut mit einem Gesamtetat von 25 Millionen Euro in die neue Saison. "Es zeigt, dass sich der Verein stetig positiv entwickelt, was aber auch notwendig ist, um den ständig wachsenden wirtschaftlichen Herausforderungen gewachsen zu sein", sagt Meeske. Für das noch junge Geschäftsjahr 2012/2013 bedeutet das bislang vor allem mehr Freiheit und eine neue Unabhängigkeit.