20-jähriger Abiturient entschuldigt sich aufrichtig und sagt: “Es war keine Absicht“

Hamburg. Der Aufruf, mit dem der FC St. Pauli den Werfer der Kassenrolle aufgefordert hatte, sich freiwillig zu melden, hat seine Wirkung nicht verfehlt. Am Mittwochnachmittag erschien ein 20-Jähriger auf der Geschäftsstelle des Klubs und gab zu, die Kassenrolle geworfen zu haben, die am Montagabend im Spiel gegen Eintracht Frankfurt (2:0) Pirmin Schwegler am Kopf getroffen hatte. Der St.-Pauli-Fan hatte sich zuvor an den Fanladen gewand, durch dessen Vermittlung sich der Werfer bereits bei Eintracht-Kapitän Schwegler persönlich entschuldigen konnte. "Der Junge war wirklich erschüttert und hat seine Version der Geschichte authentisch rübergebracht", sagte Stefan Schatz, Fanbeauftragter des FC St. Pauli.

Im Gespräch mit den Verantwortlichen des Klubs versicherte der junge Mann, der von seinem Vater begleitet wurde, dass es sich bei dem Wurf um ein Versehen handelte, da sich die Kassenrolle durch eine Verkettung unglücklicher Umstände nicht in der Luft abgerollt habe, sondern als Wurfgeschoss auf den Platz geflogen sei. Diese Kassenrollen werden von Fans häufig als Teil einer Choreografie verwendet. "Mir tut es unfassbar leid. Ich hatte nie die Absicht, jemanden zu treffen oder zu verletzen. Die Aktion im Anschluss mit dem Wechseln der Kleidung war eine reine Panikreaktion von mir", sagte der Abiturient. Die Stadionkameras hatten angeblich aufgezeichnet, wie der Täter von einer Gruppe Umstehender geschützt worden war und - nachdem er seine Kleidung gewechselt hatte - zunächst unerkannt entkommen war.

Der FC St. Pauli war vom DFB zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert worden, die der Klub gestern einreichte. Darin wurden die Aussagen aus dem Gespräch mit aufgenommen. Schatz hofft, dass der DFB Rücksicht auf die besonderen Umständen nimmt: "Ich glaube allerdings nicht, dass sie sich angucken, was wirklich dahintersteht", sagte er und nahm St. Paulis Vereinsvertreter in die Pflicht: "Sie müssen auf den DFB zugehen und klarmachen, dass es sich um ein choreografisches Element handelt, der schiefgelaufen ist", forderte Schatz. Ein Urteil des DFB-Kontrollausschusses wird erst im kommenden Jahr erwartet. Dann will auch der Verein über Konsequenzen für den Werfer beraten. St. Paulis Sicherheitschef Sven Brux sagte dem Abendblatt: "Wir werden das Urteil abwarten und dann entscheiden, wie eine Sanktionierung aussehen kann." Die Tatsache, dass sich der Täter freiwillig gemeldet hat, soll berücksichtigt werden. "Dass es sich um einen 20-Jährigen handelt, der sich bisher nichts zuschulden kommen lassen hat, spielt natürlich eine Rolle. Da haben wir als Verein eine gewisse Verantwortung", erklärte Brux.

Bezieht der Kontrollausschuss die neue Sachlage jedoch nicht mit in die Urteilsfindung ein, droht St. Pauli als "Wiederholungstäter" sogar ein Spiel vor leeren Rängen. Nach dem Becherwurf eines Fans in der Partie gegen Schalke 04 im April 2011 musste St. Pauli bereits ein Spiel außerhalb Hamburgs austragen und durfte nur die Hälfte der Karten verkaufen. Dadurch entstand ein wirtschaftlicher Schaden von rund 400 000 Euro. Der Täter erhielt vom Amtsgericht eine Geldstrafe in Höhe von 12 000 Euro.