Der FC St. Pauli siegt spät, aber verdient mit 2:1 gegen Duisburg und bleibt Tabellenführer der Zweiten Liga

Hamburg. Der Abpfiff war nur noch eine Frage von Sekunden, da passte Jan-Philipp Kalla auf Dennis Daube, der aus halbrechter Position in den Strafraum zog, den frei stehenden Fin Bartels sah, ihm den Ball zuspielte und der gebürtige Kieler das Millerntor in ein Tollhaus verwandelte. Trainerteam, Betreuer, Spieler und Reservisten tummelten sich jubelnd und springend auf dem Platz, während der Anhang auf den Rängen in chaotischer Glückseligkeit versank. Mit dem Tor in der Nachspielzeit zum 2:1 gegen den MSV Duisburg sorgte Bartels für die große Befreiung. "Irgendwo musste ich ja stehen, wo soll man sonst hinlaufen?", fragte der überglückliche Mittelfeldspieler nach dem Abpfiff freudestrahlend in die Runde. Der FC St. Pauli verteidigte damit die Tabellenführung und belohnte sich noch später als bereits gegen Aachen (3:1) und Bochum (2:1) für eine druckvolle zweite Halbzeit.

Es sollte gestern Abend generell etwas länger dauern, bis die Partie an Fahrt aufnahm. Beide Mannschaften begannen abwartend und verhalten, sodass die 23 354 Zuschauer am Millerntor ausreichend Möglichkeit hatten, den am Sonnabend im Abendblatt vermeldeten und gestern veröffentlichten spektakulären Entwurf der neuen Gegengerade (lesen Sie dazu den Artikel auf Seite zwölf) zu diskutieren und die vielfältige Kritik der Fans an Montagsspielen, Deutscher Fußball-Liga (DFL) und Sport1 zu studieren. Da fiel es auch nicht weiter auf, als Fabian Boll nach zehn Minuten Schiedsrichter Christian Dingert bat, die Partie kurz zu unterbrechen, um sich die Schürsenkel zuzubinden. André Schuberts Maßnahme, sämtliche Reservespieler bereits nach 30 Minuten zum Warmmachen zu schicken, war eher der Unzufriedenheit über das Spiel seiner Mannschaft geschuldet, konnte aber auch als Mittel verstanden werden, um die Reservisten vor dem Einschlafen zu bewahren.

Duisburgs Gjasula hatte zuvor mit einem Lattenschuss aus 20 Metern nach 21 Minuten die allgemeine Lethargie kurz durchbrochen, während auf der Gegenseite Neuzugang Kevin Schindler seinen guten Eindruck aus dem Test gegen Werder Bremen mit einem Kopfball neben das Tor und einem fulminanten Distanzschuss drüber bestätigte. Ansonsten präsentierten sich die 20 Feldspieler auf dem Platz vornehmlich als Querdenker und schoben den Ball parallel der Mittellinie zum nicht immer besser postierten Nebenmann.

Beinahe eine halbe Stunde war somit bereits vergangen, als nicht nur die Einwechselspieler Fahrt aufnahmen, sondern auch das Spiel seinen ersten echten Höhepunkt erhielt. Nach einem Konter traf Debütant Schindler mit einem platzierten Flachschuss zum 1:0 für St. Pauli, und Max Kruse hatte sich mit viel Übersicht seinen fünften Scorerpunkt in dieser Saison verdient. Eine sehenswerte Koproduktion der beiden ehemaligen Bremer. Schindler, der wie Jan-Philipp Kalla nach seiner überstandenen Oberschenkelverletzung in die Mannschaft gerückt war, feierte einen Einstand nach Maß und schuf beste Voraussetzungen für sich und seine neuen Kollegen.

Diese waren nach Bajics Ausgleich nur fünf Minuten später allerdings schon wieder dahin. Duisburgs Kapitän nutzte eine unübersichtliche Situation nach einem Freistoß und konnte den Ball unbehelligt einschieben. Obwohl Duisburgs Trainer Milan Sasic mit Kastrati, Domovchiyski und dem wieder genesenen Jula gleich drei Angreifer aufgeboten hatte, war es ein Innenverteidiger, der den MSV ins Spiel zurückbrachte. Neben den Duisburgern warten auch die Hamburger weiter auf das erste Stürmertor in dieser Saison. Mahir Saglik hatte wie beim 2:1-Sieg in Bochum einen schweren Stand und konnte erst nach 63 Minuten mit einem abgeblockten Schuss für den Ansatz einer Torchance sorgen. 180 Sekunden später war für ihn Schluss.

Seine Mitspieler hatten mittlerweile allerdings längst die Oberhand gewonnen. Angetrieben vom erneut starken Kruse und dank sehenswerter Pässe des diesmal für den verletzten Charles Takyi in der offensiven Mittelfeldzentrale schaltenden Florian Bruns konnten einige gefährliche Strafraumsituationen kreiert werden. Der Druck war nun dauerhaft hoch, doch Ungenauigkeiten, die vielbeinige Duisburger Hintermannschaft sowie der aufmerksame Fromlowitz im MSV-Tor verhinderten lange Zeit das fällige 2:1. 20 Minuten vor dem Ende konnte lediglich ein deutliches Chancenplus für Kruse und Co. verbucht werden. Duisburgs defensiver Mittelfeldspieler Pliatsikas, der in der 51. Minute nach einem Foul an Kruse verwarnt worden war, musste nach 69 Minuten wegen eines regelwidrigen Einsteigens gegen Kalla mit Gelb-Rot vom Feld.

Und so hatten sich die Zuschauer bereits mit dem Unentschieden abgefunden, ehe Bartels alle Anwesenden eines Besseren belehrte. Spitze!