Philipp Tschauner legte im Tor des FC St. Pauli einen beeindruckenden Start hin. Heute treten die Hamburger in der 2. Bundesliga beim VfL Bochum an.

Hamburg. Es war der Satz, mit dem sich der FC St. Pauli in die Sommerpause verabschiedete. "Dies ist der Beginn einer neuen Ära", sprach Christian Bönig auf der Pressekonferenz am 18. Mai und wählte gewichtige Worte. Eine Aussage, gemünzt allein auf den Stabwechsel von Holger Stanislawski zu dessen Nachfolger, wie der wohlwollende Blick zum Nebenmann André Schubert unterstrich. Dass sich bei den Braun-Weißen außer dem Gesicht auf der Trainerbank auch andere Dinge entscheidend geändert hatten, scheint dagegen schon beinahe eine gewisse Normalität zu besitzen. Vier Tage zuvor hatte St. Pauli sein vorerst letztes Bundesligaspiel bestritten, und auch die Verpflichtung eines neuen Torwarts galt zu diesem Zeitpunkt bereits als sicher. Doch mit dem Wechsel zwischen den Spielklassen kennen sie sich am Millerntor ebenso gut aus wie mit dem zwischen den Pfosten. Routine, die zumindest bezüglich der Suche nach einer neuen Nummer eins zukünftig nicht mehr benötigt werden dürfte.

Im heutigen Topspiel, das aufgrund des Länderspieltags die Zweite Liga in den Fokus rückt, treffen um 20.30 Uhr nicht nur der VfL Bochum und der FC St. Pauli (Sky und Liveticker auf abendblatt.de), sondern auch die nach Einschätzungen vieler Experten beiden aktuell besten Torhüter der Liga aufeinander. Einer davon: Philipp Tschauner, der alle Voraussetzungen mitbringt, um das schwere Erbe Klaus Thomfordes anzutreten. Seit das "Tier im Tor" im Dezember 1998 sein Strafraumgehege verließ, versuchten sich in 13 Jahren gleich zehn verschiedene Torhüter als Nummer eins des FC St. Pauli. Länger als Achim Hollerieth, der etwas mehr als zweieinhalb Jahre den Status innehatte, blieb allerdings keiner. Die fehlende sportliche Qualität, der schwierige Charakter, besser dotierte Angebote anderer Klubs oder wie zuletzt bei Mathias Hain schlichtweg das Alter - die Ursachen über den phasenweise halbjährlichen Tausch waren so individuell wie die Typen selbst. Für eine Ära wie Thomforde und Volker Ippig sie im Wechselspiel von 1984 bis 1992 und anschließend Thomforde allein prägten, stehen sie alle nicht. Doch es spricht trotz erst drei absolvierter Pflichtspiele vieles dafür, dass Kandidat Nummer elf mehr ist als nur eine Übergangslösung.

Mit seinen 25 Jahren verfügt der Mittelfranke, der schon vor den vergangenen Spielzeiten stets als Kandidat auf einen Wechsel ans Millerntor galt, über die nötige Perspektive. Und der Wohlfühlfaktor potenziert sich, wenn man nach Jahren einer - zudem höchst fragwürdigen - Geringschätzung beim TSV 1860 München Vertrauen und Achtung erfährt. "Ich will konstant spielen und länger bei St. Pauli bleiben. Sonst hätte ich hier ja nicht unterschrieben", sagt Tschauner selbst. Vor allem aber sind es seine Leistungen, die darauf schließen lassen, dass der bis zum 30. Juni 2013 fixierte Vertrag nicht der letzte in Hamburg bleiben dürfte. Tschauner, mit seinen 196 Zentimetern ohnehin schon eine auffällige Erscheinung, füllt seine Rolle auf dem Platz lautstark aus, verfügt über starke Reflexe und ist so vor allem in Eins-Gegen-Eins-Situationen schwer zu überwinden.

"Er hat gar nicht so viel auf sein Tor bekommen. Wenn er gefordert war, dann hat er seine Sache gut gemacht, ja. Aber dafür haben wir ihn ja auch geholt", relativiert Schubert, "er soll einfach so weitermachen. Zu viel Lob tut auch nicht gut." Eine Einschätzung, die im Fall seines Schlussmanns bisher unbegründet ist. Die vielen Schulterklopfer nach den drei Partien zogen bislang jedenfalls keine negativen Begleiterscheinungen nach sich. Zuletzt rettete er seiner Mannschaft auch gegen Aachen die drei Punkte, als er in der 85. Minute beim Stand von 2:1 für St. Pauli mit einer reaktionsschnellen Fußabwehr gegen Shervin Radjabali-Fardi den Ausgleich verhinderte. "Das sind Aktionen, die die Mannschaft noch einmal pushen können", weiß er und hofft schon heute in Bochum auf das nächste Kapitel. Tschauner erwartet dort wie sein Trainer "ein ganz enges Spiel", in dem seine Qualität einmal mehr den Ausschlag geben könnte.

Gedanken über all die positiven Reaktionen und Beurteilungen verschwendet er allerdings kaum. "Freunde tragen so etwas an einen heran und weisen mich darauf hin", sagt einer, der mit einem Notendurchschnitt von 2,33 die Tabelle der Toptorhüter im Fachmagazin "Kicker" anführt, in aller Bescheidenheit. "Ich bin froh, dass es mir bislang ganz gut gelungen ist, die Erwartungen zu erfüllen." Wichtig sei ohnehin nur, was Trainer und Torwart-Coach Mathias Hain sagen: einfach so weitermachen. Und das möglicherweise noch eine sehr lange Zeit beim FC St. Pauli. Der Sommer 2011 könnte tatsächlich der Beginn einer neuen Ära gewesen sein.