St. Paulis Mittelfeldspieler Charles Takyi scheitert an seinen eigenen Ansprüchen. Ohne Leistung und ohne Worte - das ist er im Sommer 2011.

Hamburg. Charles Takyi ist ein netter, junger Mann. Ein Mensch, der sich "Sir" nennt, aber eher wie ein schüchterner Knabe wirkt. Einer, der bei Gesprächen sein Gegenüber fast immer freundlich anlächelt. Einer, dem man nichts Böses will. Auch nicht die Reporter, die ihm seit Wochen die Fragen stellen wollen, die Beobachter und Fans des FC St. Pauli bewegen. Die mit dem 26-Jährigen über seine Ambitionen in der Bundesliga sowie der ghanaischen Nationalmannschaft sprechen möchten und über seine sportlichen Auftritte, die dazu so gar nicht passen.

Doch Charles Takyi spricht nicht mehr. Jedenfalls nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Nach dem Spiel, ja, da gibt es von ihm einige austauschbare Sätze zum Geschehen auf dem Platz. Aber Substanzielles hat Takyi momentan nicht zu sagen. Er möchte lieber seine Leistung auf dem Platz sprechen lassen. Das ist sein gutes Recht. Angesichts der großen Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit beim Deutsch-Ghanaer mehren sich derweil allerdings die Stimmen der Kritiker, die ihm wegen seines anvisierten, aber nicht zustande gekommenen Wechsels zum FC Augsburg nun mangelnde Einstellung beim Kiezklub vorwerfen. Die Wahrheit liegt tiefer - doch Takyi schweigt weiter.

"Was ist nur mit Sir Charles los?", ist eine Zeile, die im Hamburger Abendblatt schon vor vier Jahren zu lesen war. Heute ist sie aktueller denn je. Seit Takyi 2006 vom HSV verpflichtet wurde, setzen die Verantwortlichen des FC St. Pauli große Hoffnungen in ihn. Man holte den begabten Techniker nach dessen enttäuschendem Abstecher zu Greuther Fürth sogar für 400 000 Euro zurück - der teuerste Transfer im Jahr 2009. Die hohen Erwartungen konnte Takyi nur höchst selten erfüllen. Möglicherweise sind sie einfach zu hoch, genau wie die eigenen Ansprüche, an denen er selbst zu scheitern droht. "Emma wo adamu emmuv" - sein Lebensmotto wird seit Jahren strapaziert: "Lass dir nicht die Flügel brechen."

Der intelligente Dribbler mit Abitur ist ein höchstsensibler Profi, den schon Kleinigkeiten aus der Bahn werfen können. Er muss sich hundertprozentig wohlfühlen, um zu funktionieren. Nun ist es keineswegs so, dass das Umfeld in Hamburg ihm nicht zusagt. "St. Pauli ist mein Verein", hatte er bei seiner Rückkehr verkündet. Der Streit um die Rechtmäßigkeit seiner vom Klub per Option vollzogenen Vertragsverlängerung bis 2012 hat Spuren hinterlassen. Auch Freund Gerald Asamoah ist nicht mehr da, doch als Erklärung für seine schwachen Leistungen reicht das nicht "Er ist ein junger Mann, auf den unglaublich viele Menschen versuchen Einfluss zu nehmen", nahm André Schubert seinen Spieler schon vor dem Saisonstart öffentlich in Schutz. "Die, die ihn als Söldner bezeichnen, sehen nicht, wer dahintersteckt: ein sehr verunsicherter Junge, der nicht mehr weiß, wo vorne und hinten ist."

Das scheint er allerdings auch auf dem Platz nicht mehr zu wissen. Wie es um Takyis momentane Verfassung bestellt ist, zeigte am deutlichsten eine Szene vom Freitag aus dem Spiel gegen Alemannia Aachen. Takyi hatte in aussichtsreicher Position den freien Weg zum Tor, legte den Ball aber noch einmal zurück. Die Chance war damit vertan. Wie in fast jeder Situation hatte er eine falsche Entscheidung getroffen. Drei Ligaspiele, drei Enttäuschungen. Fraglich ist, wie viel Zeit Schubert seinem Schützling noch geben kann. In der Mannschaft wird der Umgang des Trainers mit seinem formschwachen Mittelfeldregisseur bereits seit einigen Wochen durchaus kritisch beäugt.

Im Training lässt Takyi sein großes Potenzial hin und wieder aufblitzen, doch auf den Platz bekommt er es schon seit längerer Zeit nicht mehr. Auch Schuberts Vorgänger Holger Stanislawski, Takyis Trainer und Mentor, den er auch während seiner Zeit in Fürth stets um Rat gefragt hatte, verzweifelte an seinem einstigen Lieblingsschüler. 4,1 lautete Takyis Durchschnittsnote der vergangenen Bundesligasaison im "Kicker", in Erinnerung blieben mit Wohlwollen vielleicht drei richtig gute Spiele. Die Mehrzahl war dagegen wie jetzt enttäuschend, der Anspruch weiter in Deutschlands Eliteklasse spielen zu wollen damit unbegründet. Doch um sich seinen Traum vom ersten Auftritt im Nationalteam Ghanas erfüllen zu können, müsste er sich genau dort etablieren. Das haben die afrikanischen Verantwortlichen ihm unmissverständlich klargemacht. Ein Dilemma, das dem Jungvater neben persönlichen Schwierigkeiten zu schaffen macht. "Ich hoffe, dass Charles sein Glück bei uns findet", sagt Schulte. Nette Worte an einen vielleicht zu netten Menschen.