St. Pauli besiegt Aachen 3:1 und startet wie 2009 mit sieben Punkten. Der Mittelfeldspieler sorgt mit seinem zweiten Tor für die späte Entscheidung

Hamburg. Die gute Nachricht gab es in der Nachspielzeit gleich doppelt. Das gesamte Spiel hindurch hatten sich eine Mutter und ihre am Millerntor verlorengegangene Tochter vergeblich gesucht. Am Ende fanden sie dann doch noch hinter den Kulissen zueinander. Man traf sich spät, aber eben noch rechtzeitig, was auf dem Rasen auch für Max Kruse galt. Er sorgte mit seinem Tor zum 3:1 in der 91. Minute für das Happy-End gegen Alemannia Aachen und löste damit unter Kollegen wie Fans einen Druckabfall aus, der zumindest auf den Rängen in einem euphorischen Jubelorkan mündete.

Der Anhang feierte die Mannschaft nach dem Abpfiff enthusiastisch wie lange nicht. Der verletzte Publikumsliebling Deniz Naki besorgte mit seinen in die Höhe gestemmten Gehhilfen in einer Krücken-La-Ola den passenden Schlussakkord: St. Pauli jubelte verdient nach teilweise aber noch sehr holprigen 92 Minuten, in denen sich mit Marius Ebbers, der mit einem ausgekugelten Arm noch am Abend das Marienkrankenhaus aufsuchte, und Jan-Philipp Kalla (Oberschenkelverletzung) zudem zwei Profis verletzten.

Nach dem blamablen Pokal-Aus bei Regionalligist Eintracht Trier gelang den Hamburgern mit dem eingeforderten Sieg erste Wiedergutmachung. Mehr noch: wie in der Aufstiegssaison 2009/2010 bleiben die Braun-Weißen mit sieben Punkten nach drei Spielen unbesiegt und haben zumindest von den nackten Zahlen her Kurs auf die Bundesliga genommen. Die Statistik weist auch mit dem vorläufigen zweiten Tabellenplatz auffällige Parallelen zum Aufstiegsjahr auf. Allerdings musste die Mannschaft von Trainer André Schubert lange zittern, bis der Erfolg gegen das Schlusslicht aus Aachen besiegelt war.

Die Leichtigkeit, mit der sich St. Pauli vor zwei Jahren durch die Liga kombiniert hatte, geht dem Kollektiv noch weitgehend ab. Einsatz und Willen stimmen, ohne dabei die letzte Konsequenz im Offensivspiel zu erzwingen. Viel zu oft wurden aussichtsreiche Situationen fehlerhaft abgebrochen, da der Pass in die Tiefe misslang oder gar nicht erst probiert wurde. "Pauli spielt keinen Fußball", ätzte Aachens Sportchef Erik Meijer nach dem Abpfiff beim Gang durch die Katakomben und legte sich mit St. Paulis Co-Trainer Jan-Moritz Lichte an, dem er den Gang zum Friseur empfahl. Eine überzogene und den vier Pflichtspielniederlagen zum Auftakt geschuldete Aussage. "Drei Tore zu Hause sind super, aber wir hatten auch Glück", traf Meijers Pendant Helmut Schulte da schon eher den Ton und nahm sich prompt einen Spielball mit nach Hause.

Der hatte zuvor öfter als sonst die Seiten gewechselt. Beide Teams eiferten ihren Trainern nach, die einsatzstark und gestenreich in ihren Coaching-Zonen die Offensive suchten. Es entwickelte sich früh ein offener, allerdings auch fehlerhafter Schlagabtausch, der auf beiden Seiten meist in der gegnerischen Deckung verpuffte: hoher Aufwand, geringe Erträge. Echte Torchancen entwickelten sich allein aus Patzern der Hintermannschaften. Und so entsprang Feisthammels 1:0-Führung der Unsortiertheit von St. Paulis Defensive (7.), während Kruse bei seinem Ausgleich zehn Minuten später von einer misslungenen Rückgabe des Aacheners Erb profitierte. Dem 2:1 durch Florian Bruns, der bei seinem Strafstoß erstmals seit Jahren nicht die linke untere Ecke wählte, war ein zumindest diskussionswürdiger Elfmeterpfiff von Schiedsrichter Florian Steuer vorausgegangen.

Fehlerquoten beklagten am Ende allein die Alemannen. "Wenn man zwei Tore gemacht hat, hat man nicht alles falsch gemacht", wusste Kruse, der tatsächlich eins seiner besseren Spiele absolviert hatte. "Er hat Verantwortung übernommen, war auch läuferisch ganz stark", adelte auch Vizepräsident Bernd-Georg Spies auf der Haupttribüne, "für mich eindeutig der Man of the Match."

Ein gelungener Auftakt am Millerntor für Kruse und den FC St. Pauli, aber auch atmosphärisch. 23 517 Besucher, darunter etwa 2000 Fans aus Aachen, sorgten für eine grandiose Stimmung. Der Start ist geglückt, wenngleich es noch viel zu tun gibt, um den eingeschlagenen Kurs in den kommenden Wochen zu halten. "Wir haben heute eine Hektik und Wildheit in unserem Spiel gehabt, zu schnell und unkontrolliert gespielt", ordnete auch Schubert den Sieg korrekt ein.