Das Durchschnittsalter der Alemannia beträgt 23,61 Jahre. Das Team steht nach zwei Spieltagen am Ende der 2. Liga und ist im Pokal ausgeschieden.

Hamburg. Drei Spiele, drei Niederlagen, 1:6 Tore. Tabellenletzter der Zweiten Liga, im DFB-Pokal in Runde eins ausgeschieden und damit die aktuell erfolgloseste Mannschaft im deutschen Profi-Fußball. Viel schlechter hätte Alemannia Aachen, morgen am Millerntor (18 Uhr, Sky und Liveticker auf abendblatt.de) Gegner des FC St. Pauli, nicht in die Saison starten können. "Wir haben Chancen, die haben keine - und machen das Tor", sagt Neuzugang Bas Sibum und verdeutlicht das Dilemma aller drei Spiele in einem Satz.

Tatsächlich bescheinigen der Alemannia auch objektive Beobachter durchaus ansprechende Leistungen. Das überfallartige Offensivspiel mit schnellen, kurzen, direkten Kombinationen ist hochgelobt, der Erlebnisfaktor hoch. Die jüngste Mannschaft der Liga spielt in Aachen: 23,6 Jahre waren die 13 bisher eingesetzten Spieler im Durchschnitt alt. Was wenig zählt, wenn immer die anderen jubeln. Ausgerechnet die Konsequenz im gegnerischen Strafraum scheint der mit 58 Toren drittbesten Offensive der vergangenen Saison abhandengekommen zu sein - trotz eines mit der Empfehlung von 68 Zweitligatoren dekorierten Sturmführers Benjamin Auer. "Wir haben uns jetzt in drei Pflichtspielen 20 richtig gute Chancen herausgearbeitet, aber nur einen Treffer durch einen Elfmeter erzielt", lässt Trainer Peter Hyballa Zahlen sprechen. "Wir sind einfach zu blind vor dem Tor."

Zu blind. Hyballa lebt den Fußball. Es gehöre zu seinen Aufgaben, Journalisten Aussagen mit guter Grammatik und Syntax zu geben, wie er sagt, aber eben vor allem klare Aussagen. So wissen wir dann auch, dass "Fußball kein Mädchenmikado" ist und sich Niederlagen gegen favorisierte Teams schon mal dadurch erklären lassen, dass man "eben nicht gegen Fortuna Hirtenflöte" gespielt habe. Hyballa polarisiert mit Nonchalance und ungefilterter Extrovertiertheit. "Halbzeitpause ist, wenn der kleine Mann an der Linie aufhört zu hüpfen", sagen sie in Aachen.

Der gebürtige Bocholter, seit 2010 bei der Alemannia, kokettiert mal mehr, mal weniger gern mit seinem Image, das ihn als impulsiven, emotionalen Dampfplauderer etikettiert. Gerecht wird es ihm nicht. Der mit 35 Jahren jüngste Trainer im deutschen Profifußball gilt als ausgewiesener Fachmann, feierte im Nachwuchsbereich des VfL Wolfsburg und bei Borussia Dortmund nachhaltige Erfolge und gilt als einer der Entdecker und größten Förderer des heutigen BVB-Superstars Mario Götze. Meriten, die ihn im Frühjahr auch interessant für St. Pauli machten. Hyballa war einer der Kandidaten auf die Nachfolge von Holger Stanislawski. Möglicherweise war der Analytiker, der das Spiel auf dem grünen Rechteck nicht nur in seiner Magisterarbeit "Mythos niederländischer Nachwuchsfußball" zur Wissenschaft erhoben hat, den Verantwortlichen aber auch einfach zu laut. "Mit leisen Tönen würden wir auch leisen Fußball spielen", sagt Hyballa.

Aktuell muss er sich einem anderen Sinnesorgan widmen: die Sehschwäche soll behoben werden, schließlich wollen die Blinden morgen beim FC St. Pauli ihr erstes Saisonspiel gewinnen. (lwö)