Vor einem Jahr wäre sein Traum vom Profifußball fast an der Alster zerplatzt, jetzt steigt Neuzugang Lasse Sobiech mit St. Pauli ins Training ein.

Hamburg. Die Erinnerung an diesen einen Tag im Sommer 2010 hat sich in das Gedächtnis von Lasse Sobiech eingebrannt. Mit seiner damaligen Freundin lag der heute 20-Jährige am Anleger Jungfernstieg. Sie mit dem Kopf auf seinem Bauch, er mit den Füßen über dem Wasser. Was dann geschah, gleicht einem Albtraum: Von den beiden Hamburg-Touristen unbemerkt, erreicht die "Schleusenwärter S.C." den Anleger, Sobiechs baumelnde Beine werden von dem Alsterschiff getroffen. Er verspürt schlimme Schmerzen und wird kurz darauf ins Krankenhaus eingeliefert.

Ein Jahr später kehrte der Junioren-Nationalspieler nun für das Abendblatt an den Ort des Geschehens zurück, wagte sogar einen Schritt an Bord der "Schleusenwärter S.C.". "Wenn man sieht, dass Leute wie ich damals hier am Anleger sitzen, macht man sich schon so seine Gedanken", sagt Sobiech. "Heute weiß ich ja, wie gefährlich das ist." Er selbst hatte Glück im Unglück. Von der zunächst befürchteten irreparablen Schädigung der Blutgefäße, Muskeln und Nerven blieb er verschont. Sein fataler Fehler hinterließ nur eine schwere Quetschung.

Sobiech erinnert sich noch genau an seine große Angst, nie wieder Fußball spielen zu können. Doch längst ist sie wieder dem Traum gewichen, der damals beinahe an der Alster zerplatzt wäre: Der gebürtige Schwerter will eine erfolgreiche Karriere als Profi hinlegen. Dieses Ziel hat er sich gesetzt, obwohl er sich schon jetzt deutscher Meister nennen darf. Nach dem Unfall in Hamburg stand er in der vergangenen Saison nämlich noch viermal im Bundesliga-Aufgebot von Borussia Dortmund, feierte zuletzt mit den Schwarz-Gelben ausgiebig den Titelgewinn.

Zum Einsatz kam der 1,96-Meter-Mann allerdings nur im Regionalliga-Team des BVB. Und da auch für die kommende Saison die Chancen auf Spielpraxis bei den Profis angesichts namhafter Konkurrenten wie Mats Hummels und Neven Subotic gering wären, entschied sich der Abiturient für einen Wechsel. Und das ausgerechnet in die Stadt, die ihm beinahe zum Verhängnis geworden wäre. Heute steigt der Innenverteidiger als Neuzugang mit dem FC St. Pauli in die Vorbereitung auf die anstehende Zweitliga-Saison ein.

Auch beim Kiezklub erwarten das Talent mit Ralph Gunesch, Fabio Morena, Markus Thorandt und womöglich sogar Carlos Zambrano zahlreiche Mitbewerber auf seiner Position, wenn auch nicht von Dortmunder Güte. "Ich hätte auch wohin gehen können, wo es einfacher für mich würde", weiß Sobiech, der für ein Jahr vom BVB an die Braun-Weißen ausgeliehen ist. "Für mich war aber schnell klar, dass ich mich hier durchsetzen möchte." Für ein gutes Gefühl bei seiner Wahl sorgte zudem Dortmunds Coach Jürgen Klopp, der den Schritt zu St. Pauli von Anfang an befürwortet habe.

Während sich seine Dortmunder Nachwuchskollegen Marco Stiepermann (Aachen) und Daniel Ginczek (Bochum) an Vereine aus dem erweiterten Umkreis verliehen ließen, war für Sobiech auch die Entfernung von zu Hause ein wichtiges Argument für das Engagement in der Hansestadt. Daheim bildete er bislang eine Wohngemeinschaft mit Vater Herbert, nun wird er in Eimsbüttel erstmals allein leben. Ein wenig Kopfzerbrechen bereitet ihm noch die Verpflegung. Er werde sich bemühen, selbst zu kochen, meint der Abwehrschlacks, hoffe aber, dass er mit seinen neuen Teamkollegen auch mal essen gehen könne.

Sportlich kennt Sobiech seine Stärken und Schwächen ebenfalls genau. Ihn zeichne sein Kopfballspiel und ein gutes Zweikampfverhalten aus. Verbessern müsse er sein Aufbauspiel. "Ich möchte mehr zum Spiel nach vorn beitragen", sagt der einst als Stürmer aktive Jungprofi. Er vermittelt das Gefühl, gerüstet für seinen nächsten Schritt zu sein, bereit zum Ablegen.