Nach der vierten Niederlage in Folge und dem Sturz auf Platz 16 der Bundesliga ist beim FC St. Pauli jetzt psychologische Aufbauarbeit gefragt.

Hamburg. Leichter Nieselregen, tief hängende Wolken, trübes Grau. Das Hamburger Wetter passte sich am Tag nach der bitteren 1:2-Niederlage gegen den VfB Stuttgart der Stimmungslage beim FC St. Pauli perfekt an. Das erneute späte Gegentor, das zur Folge hat, dass die Mannschaft von Trainer Holger Stanislawski nach dem 19. Spieltag zum zweiten Mal in dieser Saison auf den Relegationsplatz 16 abrutschte, hat Spuren hinterlassen. Die Abstiegsgefahr ist akuter denn je, und der Trainer steht vor der Aufgabe, seine Spieler wieder aufzurichten und ihnen einzuimpfen, wie der Klassenerhalt dennoch zu schaffen ist. "Wir müssen den Kopf oben behalten und dürfen nicht anfangen zu wackeln", sagt der Trainer. Durchhalteparolen, die angesichts der Situation nur natürlich sind. Stanislawski weiß jedoch genau, dass er die Probleme an den Wurzeln packen muss.

Denn die Enttäuschung, nach einer deutlichen Leistungssteigerung wieder ohne Punkte dazustehen, war allen deutlich anzumerken. "Diese Niederlage ist schwerer zu verdauen als das 0:5 in Nürnberg", sagt Stanislawski. "Heute tut nicht der Körper weh, sondern der Kopf. Weil wir vieles richtig gemacht haben, mutig waren und unsere Stärken ausgespielt haben." Eine Niederlage, die also viel psychologische Arbeit erfordert, die aber auch Mut macht für die kommenden Aufgaben. "Unsere Zuversicht ist ungebrochen", sagte Mittelfeldmann Florian Bruns. "Es sind noch 24 Punkte zu vergeben, und wir werden wieder gewinnen. Die nächsten drei Punkte warten schon auf uns."

Deshalb wird Stanislawski die Veränderungen in Grenzen halten. Keine Reset-Taste wie in der Aufstiegssaison, kein übersteigerter Aktionismus. "Ein Trainingslager wäre das falsche Zeichen", sagt der 41-Jährige. "Das ist das letzte Mittel. So weit sind wir noch nicht." Wichtiger sei es, weiter hart zu arbeiten und die fehlenden Prozent Qualität herauszukitzeln.

Das größte Problem zieht sich durch die Saison wie Kaugummi: die mangelnde Durchschlagskraft in der Offensive. Zwar erarbeitete sich die Mannschaft nach zuletzt drei Spielen ohne echte Torchance wieder Möglichkeiten, doch insbesondere in der zweiten Hälfte, als St. Pauli die dominierende Elf stellte, kreierte die Offensivreihe zu wenig Gefahr. Der finale Ball in die Spitze kam einfach nicht an. Das muss sich vor allem Charles Takyi ankreiden lassen. Der vermeintliche Regisseur spielt immer noch unter seinen Möglichkeiten. Wohl auch deshalb hat sich Holger Stanislawski neue Optionen geschaffen. Schon beim Auswärtsspiel in Nürnberg testete er Matthias Lehmann auf der Position hinter der Spitze. Und nachdem Dennis Daube und Fabian Boll gegen Stuttgart eine starke Leistung im Zentrum boten, ist es denkbar, dass am Sonnabend, beim nächsten Abstiegskrimi in Frankfurt, Lehmann wieder weiter vorne agieren könnte. Daube aus der Mannschaft zu nehmen wäre jedenfalls nur schwer nachvollziehbar. Auch die Offensivvariante in der Defensive mit Fin Bartels auf der echten Außenbahn hat funktioniert und ist wohl mehr als eine Alternative.

Das zweite große Problem lässt sich nur schwer wegtrainieren oder durch personelle Veränderungen beheben: die späten Gegentreffer. Gegen Stuttgart war es bereits das sechste Spiel, in dem der FC St. Pauli Punkte in den letzten Minuten verspielte. "Das ist wie mit dem rosa Elefanten", sagt Stanislawski. "Ich versuche, das nicht zu oft zu erwähnen. Das hätte womöglich den Effekt, dass die Jungs ab der 85. Minute das große Zittern bekommen und immer im Hinterkopf haben, jetzt bloß kein Gegentor mehr zu fangen."

Um zu unterstreichen, dass es nun in die heiße Phase geht, hat sich Stanislawski dann doch noch etwas Besonderes ausgedacht, um die vergangenen Spiele aus den Köpfen zu kriegen. Er ruft den Saisonstart aus: "Bisher war alles nur Positionsgeschacher. Die Bundesliga geht jetzt erst richtig los." Mit einem FC St. Pauli, der mindestens drei Siege aus acht Spielen braucht. Angesichts der personellen und psychischen Situation nicht leicht, aber auch nicht unmöglich. "Wer als Erstes in Panik gerät, wird es schwer haben", sagt Ralph Gunesch. Also gilt: Ruhe bewahren - bis wieder die Sonne scheint.