Trainer Bruno Labbadia muss bei St. Paulis kommendem Gegner VfB Stuttgart einen Job machen, der nicht seinem Naturell entspricht.

Hamburg. Ein selten friedliches Bild für Stuttgarter Verhältnisse. Die Frühlingssonne scheint, die Zuschauer schauen entspannt beim Training des VfB zu. Gemault wird nicht. Das war vor ein paar Wochen noch anders, aber zwei Siege in Folge haben ein wenig Druck entweichen lassen - zumindest bis Sonntag, wenn es ab 17.30 Uhr gegen St. Pauli geht. Nach knapp zwei Stunden entlässt Bruno Labbadia seinen Kader in die Mittagspause. Der Mann wirkt konzentriert, mit der Sonne um die Wette strahlen will er nicht. Wie schnell sich ein Trainer verbraucht, hat er ja selbst schon erlebt. Zuletzt in Hamburg.

Labbadia hat natürlich genau registriert, welche verbale Ohrfeige sein Nach-Nachfolger Armin Veh dem HSV gegeben hat, aber äußern will er sich dazu nicht. "Die Probleme anderer Vereine sollten wir uns nicht auch noch aufhalsen." Punkt. An anderer Stelle hat der 45-Jährige allerdings darauf hingewiesen, dass der HSV unter ihm 2009 immerhin den besten Saisonstart aller Zeiten hingelegt und das Halbfinale der Europa League erreicht hat.

Jetzt ist er beim 16. der Tabelle, wo sie ihm schon für Platz 15 am Ende dieser Saison wohl einen Orden verleihen würden. Der Mannschaft droht der Abstieg, dabei ist es erst ein paar Monate her, dass der VfB unter dem Schweizer Christian Gross die beste Rückrunde aller Erstligisten spielte und sich von einem Abstiegsplatz in die Europa League kämpfte. Ein Opfer des Sturmlaufs-Süd war damals auch der HSV und damit am Ende auch Labbadia, der drei Spieltage vor Saisonende sein Amt verlor.

Jetzt soll er den Südklub in der Liga halten. Ein fragiles Unternehmen mit offenem Ausgang, wahrscheinlich lebt deshalb auch noch seine Frau Sylvia mit Sohnemann Luca in Hamburg, wo auch seine Tochter Jessica studiert. Seine Familie wird er also am Wochenende sehen, wenn er mit dem VfB bei St. Pauli antreten muss. Stuttgart ist nach den Siegen in Frankfurt und gegen Schalke auf einem zarten Erholungskurs, St. Pauli hat zuletzt dreimal verloren und wäre bei einer Niederlage punktgleich mit den Schwaben. "Ein Spiel gegen St. Pauli ist wegen der einmaligen Atmosphäre immer interessant", sagt Labbadia. Um interessante Spiele geht es beim VfB aber nicht. Labbadia wurde geholt, weil vor allem Manager Fredi Bobic darauf baute, dass er wie in Leverkusen und beim HSV sofort Erfolge hat. Doch noch holpert es. Zwar hat Labbadia aus neun Spielen 13 Punkte geholt und damit einen mehr als seine Vorgänger Gross und Jens Keller in 16 Partien, aber die ganz große Serie ist das nicht. Und auf die hoffen die VfB-Granden. Im August wird das für 60 Millionen Euro umgebaute Stadion fertig, der Kader ist mit 53 Millionen Euro einer der teuersten der Liga. Entsprechend hoch sind die Ansprüche in einem Verein, der in den vergangenen zehn Jahren achtmal international dabei war. Und jetzt droht das Schreckgespenst Stadioneröffnung gegen Paderborn.

Und genau da beginnt Labbadias Problem. Als der Trainer im Dezember kam, konnte man in Stuttgart zwar auch die Tabelle lesen, aber so richtig Alarm war trotzdem nicht. Abstieg, wir? - Undenkbar! Man sprach gerne von der großen Qualität des Kaders und dass der Knoten bald platzen werde. "Die Situation", sagt Labbadia, "ist nicht einfach für die Spieler, die mit ganz anderen Ansprüchen gestartet sind."

Die Situation ist auch nicht leicht für einen Trainer, der noch nie als Retter in der Not verpflichtet worden ist. Jetzt heißt es aber beißen. Labbadia schaut deshalb im Training genau hin, wer sich wie reinhängt. Und vor allem mit welchem Einsatz. Stürmer Ciprian Marica flog aus dem Kader, weil Labbadia bei ihm einfach nicht den Willen sah, den es im Abstiegskampf braucht. Am Millerntor beginnt am Sonntag für sein Team eine Serie von fünf Spielen gegen direkte Abstiegskonkurrenten. Danach wird man sehen, ob er vor dem Neuaufbau auch als Feuerwehrmann taugt und sein Job am Necker weitergeht. Labbadia hat zwar einen Vertrag bis 2013, aber nur für Liga eins.