Aufsteiger FC St. Pauli ruft sein Potenzial in der Bundesliga nicht ab und liegt nach drei Pleiten in Folge zwei Punkte hinter der eigenen Vorgabe.

Hamburg. Wer den Klassenerhalt in Zahlen ausdrücken will, nennt meist die 40. Entsprechend viele Punkte sind der landläufigen Annahme nach in einer Spielklasse mit 18 Mannschaften und drei möglichen Absteigern nötig, um auch in der nächsten Saison weiter dabei zu sein. Dass in der Fußball-Bundesliga seit Einführung der Dreipunkteregel im Jahr 1995 tatsächlich noch nie 40 Punkte benötigt wurden, um den Abstiegskampf erfolgreich zu beenden, ist dann eine andere Wahrheit. Beim FC St. Pauli hat man ohnehin eine eigene Rechnung aufgemacht.

17 Zähler sammelten die Braun-Weißen in der ersten Saisonhälfte, was zur Winterpause den 15. Rang im Klassement einbrachte, und stellten eine Hochrechnung auf. Mindestens genauso viele Punkte seien in der Rückrunde nötig, um den ersten Nichtabstiegsplatz bis zum Ende zu verteidigen.

Oder auf eine Formel gebracht: 2 × 17 + x = 15.

Eine Rechnung, die lange Zeit aufzugehen schien. Nach dem tollen Rückrundenstart lag der Aufsteiger im Februar durchgehend über den Zwischenwerten der Hinserie. Erst die drei Niederlagen in Folge in Dortmund, gegen Hannover und in Nürnberg ließen die Kurve stagnieren. "Nach dem 0:5 liegen wir jetzt zwei Punkte schlechter als in der Hinrunde", weiß Fabian Boll, "der Vergleich ist bei uns Thema. Ich gucke da jedenfalls regelmäßig drauf."

Weshalb sich der positive Trend zuletzt verkehrte, kann sich beim FC St. Pauli keiner so recht erklären. Für Trainer Holger Stanislawski ist es das Ergebnis vieler kleiner Nachlässigkeiten, Sportchef Helmut Schulte führt zudem die Formstärke der drei letzten Gegner an, bezeichnete sie als "die drei Mannschaften der Stunde". Einen klaren Lösungsansatz scheint indes niemand zu haben. "Natürlich hatten diese Gegner Qualität, in erster Linie müssen wir uns aber an die eigene Nase fassen", sagt Boll, "vielleicht waren wir nach dem Derby-Sieg zu sehr zufrieden. In der Bundesliga können wir nur bestehen, wenn alle an ihre Leistungsgrenze gehen. Wir leben vom Kollektiv, und wenn dann ein Rädchen ausfällt, greifen die anderen auch schnell nicht mehr ineinander. Das zieht sich dann durch. Von vorne bis hinten - und umgekehrt." Dem elfköpfigen Defensivverbund ist die nötige Disziplin abhandengekommen, das einst vor Kombinationsfreude nur so sprudelnde Spiel nach vorn haben Ungenauigkeiten und schwindendes Selbstbewusstsein brachgelegt. Es stimmt nicht mehr viel bei der Stanislawski-Elf, deren Leistungsstärke zudem unter dramatischen Verletzungsproblemen und Sperren leidet. Die Mannschaft verkauft sich aktuell deutlich unter Wert.

Und hat gerade jetzt, auf dem zwischenzeitlichen Tiefpunkt, zwei vorentscheidende Spiele vor sich. "Die Partie am Sonntag gegen Stuttgart ist ganz, ganz wichtig. Wir brauchen ein Erfolgserlebnis", weiß auch Boll und blickt auf die Klassenerhalts-Rechnung: "Vielleicht ist da auch ein kleiner Therapiegedanke dabei, aber wir können da jetzt etwas gutmachen." Was auch für die folgenden Partien bei Eintracht Frankfurt, gegen Schalke und in Leverkusen gilt, die in der Hinrunde allesamt verloren gingen. Schon mit einem Sieg aus den kommenden vier Partien wäre St. Pauli wieder über der eigenen Vorgabe und dem Ziel, 34 Punkte plus X, einen großen Schritt näher.

"Unsere 28 Punkte werden am Ende jedenfalls sicher nicht reichen, und ich glaube auch nicht, dass diesmal wie im letzten Jahr bei Hannover 33 genug sein werden, um den Klassenerhalt zu schaffen. Zwei Siege sollten wir schon noch einfahren", sagt Boll, "und damit am besten gleich anfangen. Wobei man letztlich rechnen kann, wie man will. Entscheidend ist, dass wir am Ende genug Punkte zum Klassenerhalt zusammenhaben. Wie viele auch immer das sein müssen."