Das Saisonaus für Zambrano spitzt St. Paulis Personallage im Abstiegskampf dramatisch zu. Die Ausfälle können nicht kompensiert werden.

Hamburg. Der Schock setzte am Montagvormittag ein. Als Dr. Nils Jenner, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, in der Praxis der Mannschaftsärzte Carsten Lütten und Johannes Holz seine Untersuchungen beendete, waren die letzten Hoffnungen gestorben. Das Ergebnis, das die Kernspintomografie zwei Tage nach dem 0:5 in Nürnberg lieferte, hätte ernüchternder nicht sein können: Sehnenbandabriss im rechten Oberschenkel von Carlos Zambrano. "Das ist eine Katastrophe und richtig bitter für die Mannschaft und für mich. Ich hatte gehofft, dass es nicht so schlimm ist, aber jetzt habe ich die bittere Gewissheit. Ich werde hart arbeiten, um schnell wieder zurückzukommen", so die erste Reaktion von St. Paulis Abwehrspieler. Schnell heißt in seinem Fall allerdings Saisonstart 2011/2012. Die aktuelle Serie ist für den 21-Jährigen beendet.

Eine schlimme Nachricht, die angesichts der ohnehin schon außergewöhnlich dicken Krankenakte der Hamburger dramatische Züge erhält. Nach Fabio Morena, der wegen eines Ermüdungsbruchs im Fuß wohl noch wochenlang in der Reha schwitzt, und Bastian Oczipka, dessen Knöchelbruch kein weiteres Saisonspiel zulässt, steht der Peruaner als dritter Totalausfall eines potenziellen Stammspielers in St. Paulis Abwehrkette. Mit Morena fehlt der Kapitän und Abwehrchef, Oczipka ist auf der linken Außenbahn qualitativ nicht zu ersetzen, "und Zambrano ist einer der besten Innenverteidiger der Bundesliga", wie Holger Stanislawski bereits vor der Verletzung gern herausstrich, "mit Carlos verlieren wir unsere stärkste Waffe im Abwehrzentrum."

Drei Ausfälle, die nicht kompensiert werden können, zumal mit dem an Patellasehnenproblemen laborierenden Carsten Rothenbach auch noch der etatmäßige Rechtsverteidiger seit acht Wochen fehlt. Dass dessen Vertreter Florian Lechner wegen eines Haarrisses im Fuß zuletzt ebenfalls mehr im Kraftraum denn auf dem Fußballplatz arbeitete und aktuell seinen siebenwöchigen Trainingsrückstand aufarbeitet, macht das ganze Dilemma komplett. Die Abwehr ist ihrer Kräfte beraubt. St. Pauli gerät im Abstiegskampf immer mehr in die Defensive.

Die Alternativen sind an einer Hand abzählbar. "Jetzt heißt es für uns, die Kräfte zu bündeln und alle Ausfälle zu kompensieren", sagt Stanislawski und kratzt die letzten Krümel Optimismus zusammen. Viel zu bündeln hat er allerdings nicht. Aus dem Überangebot an Abwehrspielern ist ein kleiner, überschaubarer Kreis geworden. Mit Markus Thorandt, Ralph Gunesch und Marcel Eger stehen noch drei Innenverteidiger im Kader, Moritz Volz und Jan-Philipp Kalla sind die Kandidaten für die Außenbahn. Ein Quintett, das in dieser Saison auf durchschnittlich acht Einsätze kommt. Rückblickend ein Segen, dass neben Linksverteidiger Davidson Drobo-Ampem nicht auch noch Kalla und Eger im Winter an andere Klubs verliehen wurden. "Wir wollen und werden nicht jammern", sagt Stanislawski und beweist Galgenhumor: "Mal schauen, was in der Presseabteilung noch so da ist." Bereits vor dem Spiel gegen Hannover hatte der Trainer Hauke Brückner, Praktikant auf der Geschäftsstelle und Spieler der Oberligamannschaft, in den Kader berufen.

Zambranos Ausfall erhöht die quantitativen Probleme, bedeutet aber vor allem - wie schon bei Oczipka - eine qualitativ nicht zu kompensierende Schwächung im Abstiegskampf. "Ein herber Verlust. Wir werden ihn schmerzlich vermissen", prognostiziert Sportchef Helmut Schulte und dürfte damit recht behalten. Statt auf Stuttgart, Frankfurt, Schalke und Leverkusen muss sich der hitzköpfige Peruaner auf seine Reha vorbereiten. "Ab der dritten Woche wird man mit einem leichten Aufbauprogramm beginnen können. Bei dieser Art von Verletzung müssen wir unheimlich vorsichtig vorgehen", sagt Teamarzt Holz.

Bei allen anderen wird nur eine Schocktherapie helfen, die kein Mediziner durchführen kann: gute Abwehrleistungen der neu formierten Defensive. Für Sonntag gegen den VfB Stuttgart ist die erste "Behandlung" terminiert. Bleibt zu hoffen, dass sich anders als bei Zambrano die ersten düsteren Befürchtungen nicht bewahrheiten.