Der HSV-Trainer saß Falschinformation auf. Reaktionen auf Absage des Hamburger Derbys gegen St. Pauli von Empathie bis Unverständnis.

Hamburg. Armin Veh hatte am Tag nach der Absage des Hamburger Derbys sprichwörtlich einen richtig dicken Hals. Die Ursache seiner schlechten Laune war beim HSV-Trainer, anders als man vielleicht vermuten könnte, jedoch nicht darin begründet, dass den "Rothosen" das überflüssige Wasser im Stadion mittlerweile bis zu ebenjenem Hals gestanden hätte. Veh echauffierte sich wie nie zuvor in seiner Hamburger Amtszeit über die Reaktion des Gegners auf die Entscheidung, das herbeigesehnte Lokalduell zu verschieben. Oder genauer gesagt ärgerte sich Veh über die Reaktion, die er vom FC St. Pauli aufgrund irreführender Informationen erwartet hatte.

"St. Pauli braucht sich überhaupt nicht aufzuregen. Die bringen es nicht einmal fertig, einen ordentlichen Rasen in ihr Stadion zu legen. St. Pauli hat einen miserablen Rasen. Die sollen schön auf dem Teppich bleiben", wetterte Veh. Niemand habe das Spiel absichtlich abgesagt. "Das ist doch höhere Gewalt. Ich habe keine Lust, dass wir hier als die Deppen dastehen. Wenn sich hier jemand wichtig macht, dann rege ich mich auf. Dann ist der Kuschelkurs vorbei. Die sollen den Ball flach halten."

Zum Zeitpunkt von Vehs Wutrede hatten sich die , gemeint waren insbesondere St. Paulis Präsident Stefan Orth und Sportchef Helmut Schulte, noch gar nicht zu Wort gemeldet, taten dies dann wenig später auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz im Millerntor-Stadion. Zuvor hatte vonseiten des Kiezklubs einzig Trainer Holger Stanislawski auf der klubeigenen Homepage seinen Unmut über die Absage geäußert. "Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, dass dieses Spiel nach zwei Tagen Regen in Hamburg nicht stattfinden kann", erklärte Stanislawski. "Ich bin total enttäuscht. Wir wollten das Derby trotz unserer Personalsorgen unbedingt spielen und die Punkte mitnehmen."

St. Pauli hätte bei einer Austragung der Partie am Sonntag unter anderem auf Interimskapitän Marius Ebbers (Muskelfaserriss im Bauch) und Linksverteidiger Bastian Oczipka (Probleme im Sprunggelenk) verzichten müssen. Vor allem der Ausfall von Oczipka wäre für die Braun-Weißen mit einem Einsatz des wenig spielerprobten Moritz Volz schwer zu kompensieren gewesen. Stanislawski hatte noch am Freitag, angesprochen auf die vielen Verletzten, erklärt, notfalls auf sich selbst oder seine Co-Trainer Andre Trulsen und Klaus-Peter Nemet zurückzugreifen.

Um kurz nach halb fünf am Sonnabendnachmittag erhielt Stanislawski dann von Sportchef Schulte die Vorwarnung, dass er sich möglicherweise keine Gedanken mehr über seine Aufstellung machen müsse. Zuvor hatte die Deutsche Fußball-Liga den Kiezklub darüber informiert, dass das Spiel gefährdet sei und eine Platzbegehung erfolgen werde. Um 19.52 Uhr erhielten St. Paulis Verantwortliche schließlich eine E-Mail mit der endgültigen Absage aufgrund der Unbespielbarkeit des Platzes.

Schulte, der sich zunächst "überrascht und traurig" über die Entscheidung gezeigt hatte, erklärte schließlich am Sonntag, dass diese aus sportlicher Sicht für beide Mannschaften nicht optimal sei. "Alles ist auf Sonntag, 15.30 Uhr zugelaufen.", sagte Schulte. "Wir sind in einer guten Verfassung, hätten gerne gespielt, und ich glaube auch, dass der HSV gerne gespielt hätte." Nicht nur aus diesem Grund werde St. Pauli keine Schritte unternehmen, auf sportgerichtlicher Ebene die Punkte wegen möglicher grober Fahrlässigkeit des HSV zu erstreiten. "Wir wissen, dass es bei jedem Rasentausch ein Risiko gibt", sagte Schulte. "Dass Schnee fällt, dass es Frost gibt oder unverhältnismäßig viel regnet, kann jedem passieren. In Porto, in Mailand, überall. Das muss man fairerhalber sagen. Wir treten da nicht mit Vorwürfen auf den Plan. Wir haben die Information bekommen, dass der Rasen nicht bespielbar ist, und damit ist für uns die Sache erledigt."

St. Pauli hatte sich am Sonnabend nach der Begehung der Platzkommission in Person von Christian Bönig noch ein eigenes Bild vom Zustand des Rasens in der Imtech-Arena gemacht. "Da ging wirklich nichts", bestätigte der Teammanager, der gemeinsam mit HSV-Sportchef Bastian Reinhardt eine Runde durch die Arena drehte. "Wenn man aus dem Spielertunnel rauskommt, denkt man noch: Das ist ein wunderschönes Grün, auf dem man Golf spielen kann. Aber wenn man auf den Platz geht, sackt man ein."

Auch St. Paulis Präsident Orth erhob nicht die irrtümlich von HSV-Coach Veh erwarteten Vorwürfe. "Für mich persönlich ist es eine Verkettung unglücklicher Umstände", sagte der Textilunternehmer, bei dem HSV-Boss Bernd Hoffmann telefonisch sein Bedauern darüber aussprach, dass das Spiel nicht habe stattfinden können. Hoffmann erklärte auch seine generelle Bereitschaft, den Kiezklub bei der Ausrichtung eines Public Viewings am Millerntor zum Nachholtermin zu unterstützen. Außerdem verurteilte er die Randale von vermeintlichen Fußballfans in der Nacht zuvor auf St. Pauli. Orth hatte sogar verkündet, dass sich Hoffmann für Ausschreitungen von HSV-Fans entschuldigt habe, was dieser allerdings mit dem Hinweis, dass noch nicht klar sei, wer randaliert habe, nicht bestätigen wollte. Nicht nur aus der Sicht von Armin Veh herrscht zwischen den beiden Vereinen also keine endgültige Harmonie. "Ob HSV gegen St. Pauli nun heute, in einer Woche oder in zwei Wochen stattfindet", stellte Helmut Schulte fest. "Es bleibt ein spannendes Spiel."