St. Paulis Sportchef Helmut Schulte spricht vor dem Start der Rückrunde über den Einkaufsstopp und die Zukunft Holger Stanislawskis.

Hamburg. Helmut Schulte ist an diesem Tag verschnupft. Mit seiner Arbeit beim FC St. Pauli hat das nichts zu tun, der Sportchef leidet unter einem Infekt. Trotzdem hält der 53-Jährige die Verabredung zum Interview ein.

Abendblatt: Obwohl die Transferperiode noch bis zum 31. Januar läuft, erklärte Trainer Holger Stanislawski bereits vergangene Woche, dass St. Pauli in diesem Winter definitiv keinen neuen Spieler holen wird. Sind Sie jetzt arbeitslos?

Helmut Schulte: Ganz sicher nicht. Ich habe ja viele Spielfelder, auf denen ich mich bewege, bin so etwas wie der Problemlöser des FC St. Pauli. Was die klare Aussage Holger Stanislawskis betrifft, war es so, dass mit dem ständigen Gerede über Neuverpflichtungen signalisiert wird, dass man dem Kader nicht vertraut. Das wollten wir nicht. Ich würde zudem gerne mal eine Statistik sehen, welche Transfers im Winter wirklich weitergeholfen haben.

Bastian Oczipka hat Sie im letzten Winter durchaus vorangebracht. Auch solche Transfers sind jetzt ausgeschlossen. Es sei denn, Sie setzen Ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel.

Schulte: Stand heute ist, dass wir keinen Spieler verpflichten werden, weil wir nicht auf der Suche sind. Wenn sich etwas ergibt, das uns für die Zukunft richtig glücklich macht, wenn ein besonderer Spieler meint, dass er jetzt und nicht erst im Sommer wechseln will, muss man immer überlegen. Das kann man dann auch so erklären.

Es wird von Vereinsseite immer betont, dass sich der Klub unter den Top 25 Deutschlands etablieren will. Heißt das, dass man sich mit dem Schicksal Fahrstuhlmannschaft anfreunden könnte?

Schulte: Wenn man das richtig interpretiert, ist das inkludiert.

Ein VfL Bochum aus Hamburg?

Schulte: Ich denke da eher an einen SC Freiburg. Die haben vorgemacht, wie man mit Würde, Stolz und Anstand zwischen den Ligen wandern kann. Natürlich werden wir alles Mögliche tun, um in der Ersten Liga zu bleiben.

Wäre es dann nicht besser, jetzt Geld in die Hand zu nehmen, als nach einem möglichen Abstieg einen großen Aufwand für die Rückkehr zu betreiben?

Schulte: Das ist immer eine Frage der Risikoabwägung. Häufig haben Vereine Geld ausgegeben, das sie nicht hatten, und waren dann am Ende so platt, dass sie es nicht einmal mehr aus der Dritten Liga herausgeschafft haben. Unsere Risiken sind mit dem Stadionbau und dem Umbau des Trainingsgeländes zu groß, als dass wir im Spielerbereich Investitionen machen sollten, an denen wir uns verheben könnten.

Der FC St. Pauli hat also keine Million, die er kurzfristig investieren könnte?

Schulte: Also ich habe jedenfalls noch keine gesehen.

Ihr Ziel für die aktuelle Saison war, sportlich besser als in der Geldrangliste der Bundesliga dazustehen. Wie lautet die vorläufige Bilanz?

Schulte: Wir gehören zu den drei Kandidaten, die wirtschaftlich die wenigsten Möglichkeiten haben, stehen aber auf Platz 15. Damit haben wir bislang neudeutsch gesagt overperformed.

Sie stehen aber nur zwei Punkte vor dem Relegationsplatz. Wie groß ist die Sorge, dass Sie am Ende doch da landen, wo Sie wirtschaftlich einzuordnen sind?

Schulte: Gegenfrage: Wenn wir nach der Hälfte der Runde Platz 15 innehaben, warum sollten wir nicht auch zum Abschluss dort stehen?

Möglicherweise weil viele besser eingeschätzte Teams mit Ihnen gegen den Abstieg kämpfen.

Schulte: Ich finde, man muss das so sehen: Wenn man die ersten zehn Spiele nimmt, waren wir als Aktie ein bisschen überbewertet, nimmt man die letzten zehn, waren wir unterbewertet. Zusammengenommen sind wir Fünfzehnter. Da oder besser wollen wir auch am Ende stehen. Es wird ein harter Kampf ums Überleben, aber ich glaube, dass wir das hinkriegen. Wir müssen nur sehen, dass wir uns selbst nicht hin und wieder ein Bein stellen, indem wir undiszipliniert oder unkonzentriert sind. Wenn wir drei oder vier Prozent unserer Leistungsstärke irgendwo liegen lassen, werden wir es nicht schaffen. Das hat die zweite Hälfte der Hinrunde gezeigt.

Sie sprechen damit auch die Vorfälle an, die zu einer zeitweiligen Suspendierung dreier Spieler führten. Wie können Sie sicher sein, dass es in der Rückrunde zu nichts Vergleichbarem kommt?

Schulte: Wir glauben die richtigen Maßnahmen getroffen zu haben. Ich hoffe, dass jetzt jedem klar ist, dass wir uns so etwas nicht leisten können.

Ruhe im Umfeld haben Sie damit nicht garantiert. Mehrere Tausend Fans haben einen Protestbrief unterzeichnet, in dem sie die Entwicklung des Vereins kritisieren. Davor gab es Konflikte innerhalb der Anhängerschaft. Ist das kontraproduktiv im Abstiegskampf?

Schulte: Sagen wir es so: Es ist natürlich sehr hilfreich, wenn das Stadion geschlossen hinter der Mannschaft steht. Der besondere Support, wie man ihn vom Millerntor kennt, ist in dieser Rückrunde sicher nötiger, als er es vielleicht in anderen Jahren war.

Mit der Verlängerung des Vertrags von Matthias Lehmann haben Sie in die Zukunft investiert. Eigentlich wollten Sie doch auch Trainer Holger Stanislawski längst länger an den Verein gebunden haben. Er hat zwar noch einen Vertrag bis 2012, ist aber schon jetzt ständig bei anderen Vereinen im Gespräch.

Schulte: Egal, wie lange ein Vertrag von Holger Stanislawski bei uns läuft, wird er den Zeitpunkt eines Abschieds zu 99 Prozent sowieso alleine entscheiden. Natürlich würde ich gerne über Jahre weiter mit ihm arbeiten, weil das goldene Zeiten bedeuten würde. Andererseits werden wir ihm keine Steine in den Weg legen, wenn er irgendwann etwas anderes machen möchte.