Der FC St. Pauli schießt wenig Tore in der Liga. Trotz Dementis steigt die Wahrscheinlichkeit für die Verpflichtung eines neuen Stürmers.

Hamburg. St. Paulis Trainer Holger Stanislawski ist über die Jahre zu einem Medienprofi geworden. Er kann sich in Journalisten hineinversetzen, weiß, welche Themen ihnen auf den Nägeln brennen. Nach dem 0:3 in München schlüpfte er spaßeshalber in die Rolle eines Reporters und stellte sich einfach selbst die Frage, die im Umfeld des Kiezklubs momentan viele Menschen bewegt. "Sag mal, Stani", setzte er an, "ihr seid 70 Minuten mit dem FC Bayern auf Augenhöhe, aber ihr schießt keine Tore. Wollt ihr nicht im Winter doch noch einen verpflichten?"

In den vergangenen Wochen hatte er diese Frage wie Sportchef Helmut Schulte mehrfach mit einem klaren "Nein!" beantwortet. Man vertraue den Spielern im Kader, hieß es. Thema erledigt, könnte man meinen, doch mit jeder Partie, in der die Offensiven keinen Treffer erzielen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Braun-Weißen für die zweite Saisonhälfte doch noch verstärken. Ganz St. Pauli wünscht sich schließlich einen Torjäger.

"Woher nehmen, wenn nicht stehlen", lautete nun die nebulöse Antwort Stanislawskis auf seine eigene Frage. Eine Aussage, die zumindest die Deutung zulässt, dass St. Paulis Verantwortliche bei allen Dementis durchaus über kurzfristige Maßnahmen nachdenken. Nur 14 Treffer aus 16 Spielen bedeuten die schlechteste Ausbeute der Liga. 3:16 Tore lautet die Bilanz der vergangenen acht Partien, wobei die eigenen Treffer die Innenverteidiger Carlos Zambrano und Markus Thorandt sowie Kaiserslauterns Tiffert erzielten. Das letzte Stürmertor gelang St. Pauli Mitte Oktober gegen Nürnberg. Fakten, die nicht wegzudiskutieren und die Grundlage für eine brodelnde Gerüchteküche sind.

Fast täglich werden neue Stürmer mit St. Pauli in Verbindung gebracht, durch Spieler, Berater, Vereinsverantwortliche, Fans. Sogar ein Richter sorgte jetzt mit einem beiläufigen Satz für Aufregung. Franz Kompisch, Vorsitzender der 4. Großen Strafkammer am Landgericht Lüneburg, war zuständig für den Fall des 20 Jahre alten libanesischen Auswahlspielers Mazan Moslehe, der einst in der HSV-Jugend spielte, zum österreichischen Erstligisten SV Kapfenberg wechselte und nach der Genesung von einem Knorpelschaden Opfer eines Messerangriffs wurde. Im Rahmen der Prozessberichterstattung wurde Kompisch nun von der "Landeszeitung" mit den Worten zitiert, dass Moslehes "Zukunft als Fußball-Profi beim FC St. Pauli nichts mehr im Wege stehen wird". Und tatsächlich steht der Angreifer vor einem Wechsel zu St. Pauli - allerdings ist er zunächst wohl nur für das Oberliga-Team vorgesehen. "Ich muss erst mal kleinere Brötchen backen", sagt Moslehe, der seit sechs Wochen bei der "Zweiten" trainiert. "Es läuft aber gut, und ich hoffe, dass wir uns einigen werden."

Bleiben also die üblichen Verdächtigen, die gehandelt werden. Ausländer, wie der Schweizer Hakan Yakin, 33, vom FC Luzern, an dem St. Pauli laut "Blick" Interesse haben soll. Unzufriedene Bundesligaprofis wie allen voran Hannovers Mike Hanke, 27, oder Schalkes Erik Jendrisek, 24. Auch Eric Maxim Choupo-Moting, 21, und Tunay Torun, 20, vom Nachbarn HSV sind mögliche Kandidaten. Emporkömmlinge wie Heidenheims Patrick Mayer, 22 (15 Tore in 19 Drittligaspielen), und Benjamin Förster, 21, vom Chemnitzer FC (18 Tore in 17 Regionalligaspielen) wären vor allem eine Investition in die Zukunft und mangels Erstliga-Erfahrung eher nicht die Neuzugänge, die St. Pauli sofort weiterhelfen würden. Zu diesen Namen gibt es von Stanislawski und Schulte keinen Kommentar. Sie sind ja schließlich Medienprofis.