Teamarbeit beim FC St. Pauli: Das Präsidium stellt sich als gleichberechtigtes Quartett zur Wahl, Aufsichtsrat Reuss kandidiert nicht mehr.

Hamburg. In zehn Tagen hat das Rätselraten ein Ende. FC St. Pauli ? HSV ? Wer ist die Nummer eins in der Stadt? Das erste Derby seit mehr als acht Jahren elektrisiert Hamburg und soll die Glaubensfrage zumindest bis zum Rückspiel im Februar 2011 beantworten. Und auch eine andere Frage, die in den vergangenen Wochen zumindest intern am Millerntor heiß diskutiert wurde, wird bis zum 19. September beantwortet sein. Wer wird die Eins bei St. Pauli, wer wird neuer Präsident? Eine Formalie, wonach der als kommissarischer Nachfolger des am 19. Mai zurückgetretenen Corny Littmann eingesetzte Stefan Orth von den Mitgliedern nur noch legitimiert werden müsse, war es jedenfalls nicht.

Nun allerdings steht fest, dass nach zahlreichen externen Bewerbungen und einigen Bestrebungen, Vizepräsident Bernd-Georg Spies in das Amt zu komplimentieren, der eingeschlagene Kurs gehalten wird. In der kommenden Woche wird das aus Spies, Orth und Gernot Stenger bestehende Präsidium dem Aufsichtsrat einen einvernehmlichen Vorschlag unterbreiten, wonach Orth den Mitgliedern auf der ordentlichen Versammlung am 14. November zur Wahl gestellt wird. Ebenso wird das Trio verdeutlichen, die Ankündigung, im Anschluss an die Ära des starken (Litt-)Manns vermehrt als Team arbeiten zu wollen, zukünftig noch stärker in der Außendarstellung zu manifestieren. Das Trio, das seit 2007 erfolgreich zusammenarbeitet, geht als gleichberechtigtes Team ins Rennen, wird auf Drängen des Aufsichtsrates aber noch um einen Kandidaten ergänzt. St. Paulis Präsidium als Vierer ohne Steuermann, oder, um sich der Comic-Sprache zu bedienen: Littmanns legitimierter Nachfolger heißt Spiesorthstengerix. Dass Orth dabei formal das Präsidentenamt bekleidet, genießt etwa den Charakter der Kapitänsfrage beim 1. FC Kaiserslautern, wo mit Martin Amedick und Srdjan Lakic zwei Mannschaftsführer das Amt bekleiden. Dass Amedick auf dem Platz die Spielführerbinde am Arm trägt, hat kaum noch Bedeutung.

Der Aufsichtsrat wird diesen Vorschlag bestätigen. Mehrfach hatten die Kontrolleure erklärt, sich die braun-weiße Zukunft mit jedem der drei aktuellen Präsidiumsmitglieder an der Spitze vorstellen zu können. Auf der Suche nach dem geeigneten Kandidaten genoss der Fortbestand des Trios Orth, Stenger, Spies ungeachtet einiger Streitigkeiten um die Größe des neuen Präsidiums - die Räte favorisierten ein fünfköpfiges Gremium, Orth, Spies und Stenger wollten in der Dreierkonstellation weiterarbeiten - höchste Priorität. "Wir sehen keine externe Lösung", sagt Christoph Kröger, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender, "und die Entscheidung, die wir in der kommenden Woche bekannt geben werden, wird sicherlich niemanden überraschen."

Etwas ungewöhnlich wirkt dagegen die neu geordnete Aufgabenverteilung. So soll Spies nach Abendblatt-Informationen die nicht unwichtigen Ressorts Repräsentanz und Finanzen verantwortlich übernehmen. Zwei Themengebiete, die bei vielen anderen Vereinen dem Präsidenten zugeordnet sind. Um die Finanzen hatte sich bis zum Sommer der wie Littmann zurückgetretene Marcus Schulz federführend gekümmert, Littmann selbst Repräsentanz und den Stadionneubau zu seinen Kernaufgaben erklärt. Wer sich zukünftig um die beiden noch zu bauenden Tribünen am Millerntor kümmern wird, bleibt abzuwarten. Möglicherweise der noch nicht bekannte Neuzugang?

Der wird in der kommenden Woche zumindest dem Aufsichtsrat vorgestellt. Orth, Spies und Stenger hätten damit zwar bis zum 3. Oktober Zeit, doch die Kontrolleure wollen nicht die Katze im Sack kaufen und fordern jene Kommunikation und interne Transparenz ein, dank derer sich das Verhältnis zwischen den Gremien in der jüngeren Vereinshistorie deutlich gebessert hatte. "Es wäre schön, wenn wir die Arbeit der letzten Jahre fortsetzen könnten", sagt Tay Eich, wie Kröger Aufsichtsratsvize, und meint damit nicht allein die Zusammensetzung des Präsidiums: "Ich würde es begrüßen, wenn wir auch im Aufsichtsrat weiter das Vertrauen der Mitgliedschaft bekämen."

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Am 15. November, einen Tag nach der Legitimierung des präsidialen Quartetts, stimmen die Mitglieder über die Zusammensetzung des siebenköpfigen Aufsichtsrates ab. Kröger und Eich werden erneut kandidieren, ebenso Roger Hasenbein, Lars Sörensen und Uwe Doll. Als einziger Abgang steht bislang nur Ulrich Reuss fest.

Kontinuität soll weiter oberstes Gebot bleiben beim FC St. Pauli, der seine elementar wichtigen Personalentscheidungen kontrovers, aber hinter verschlossenen Türen diskutiert. Nach außen wird Geschlossenheit und Einvernehmlichkeit demonstriert und damit ein kompetentes, bundesligareifes Bild abgegeben. Völlig unabhängig vom Ausgang des Spiels am 19. September.