Wie kann Trainer Stanislawski St. Pauli nach dem Pokal-Aus wieder in Stimmung bringen? Ein Launologe aus München verrät es.

Hamburg. Matthias Lehmann marschierte wortlos an den wartenden Journalisten vorbei. Der Mittelfeldlenker des FC St. Pauli hatte nach der Pokalniederlage in Chemnitz am Sonnabend keinen Redebedarf, zu tief saßen wohl der Ärger und die Enttäuschung über das Aus und die eigene gezeigte Leistung. Andere, die sich den Reportern stellten, sprachen von "Niedergeschlagenheit" (Max Kruse) oder einer "vollen Breitseite" (Kapitän Fabio Morena). Beim Gute-Laune-Verein der vergangenen Monate war plötzlich Ernüchterung eingekehrt - und das ausgerechnet wenige Tage vor dem Bundesligaauftakt beim SC Freiburg.

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"Das war kein schöner Saisonstart, nächste Woche müssen wir es besser machen", brachte Verteidiger Florian Lechner in wenigen Worten die Ausgangslage auf den Punkt. Aus dem 0:1 zu lernen und bereit für neue Taten zu sein lautet die Aufgabe für die verbleibende Zeit bis zum Sonnabendspiel im Breisgau. St. Paulis Spieler und Verantwortliche bemühten sich sogleich, die Unterschiede zwischen Pokal und Bundesliga darzustellen, eine Interpretation der Pleite als möglichen Fingerzeig für das Comeback in der Eliteklasse zu negieren. Nicht in Abrede stellen lässt sich allerdings, dass die Stimmung im Team in dieser Woche von der negativen Erfahrung im Pokal geprägt sein wird. Ein entscheidender Nachteil?

"Nein", sagt einer, der es wissen muss. Helmut Fuchs, Diplompädagoge und Managementtrainer, beschäftigt sich intensiv mit den Themen Teammotivation, Leistungs- und Persönlichkeitsentwicklung. Gemeinsam mit einem Kollegen hat er den Forschungszweig "Launologie" entwickelt und unter anderem den Einfluss von Stimmungen auf die Leistungsfähigkeit untersucht. "Im Fall von St. Pauli denke ich, dass es genau der richtige Zeitpunkt war, um einen auf die Nase, einen Dämpfer versetzt zu bekommen", meint der 59-Jährige von der Trainer-Akademie München, der auch schon mit diversen Bundesligisten zusammengearbeitet hat. "Auf einer Euphoriewelle kann man nicht dauerhaft reiten. Es wäre doch schlechter gewesen, wenn der Rückschlag in der Liga gekommen wäre. Das negative Erlebnis kann jetzt dazu führen, dass die Kräfte nach der ganzen Euphorie konzentriert werden und ein noch größeres Wir-Gefühl entsteht."

Kapitän Morena hätte auf die Pokalniederlage dennoch lieber verzichtet. "Ich hätte den Schuss vor den Bug vor dem Bundesligastart nicht gebraucht", sagt der 30-Jährige. Seiner Meinung nach hätte es nicht einer Niederlage in Chemnitz bedurft, um dem Team noch einmal bewusst zu machen, dass in der Bundesliga vieles stimmen muss, damit St. Pauli die nötigen Punkte im Kampf um den Klassenerhalt holt. Dennoch werde man sich jetzt noch einmal bis in die Haarspitzen hinterfragen.

Laut Launologe Fuchs ist vor allem Trainer Holger Stanislawski gefragt. Nicht zur Aufheiterung, sondern um beispielsweise in Gesprächen konstruktiv für eine gute Stimmung zu sorgen. Nach Abendblatt-Informationen soll er, noch bevor am Sonntag die offizielle Aufarbeitung des Chemnitz-Spiels stattfand, bei einer Rast auf der langen Rückreise bereits die erste Gelegenheit dazu wahrgenommen haben. Ein positives Beispiel, wie eine Saison nach einer Pokalpleite laufen kann, war bei St. Pauli mit Mainz 05 auch schnell gefunden. Die Rheinhessen waren in der vergangenen Saison in der ersten Runde beim Regionalligisten VfB Lübeck ausgeschieden und wurden am Ende in der Liga Neunter.