Nach Jahren der Tristesse war es zuletzt leicht, Anhänger des FC St. Pauli zu sein. Siegreich, sympathisch, sorgenfrei - so präsentierten sich die Braun-Weißen auf dem Weg zurück in die Bundesliga. Aus einer Geschichte voller Leiden ist längst eine Erfolgsstory geworden. Mit wenigen Ausnahmen gab es in der vergangenen Saison ausschließlich positive Schlagzeilen um den einstigen Chaosverein. Lob kam von allen Seiten für die erfolgreiche sportliche Leitung um Trainer Holger Stanislawski und Sportchef Helmut Schulte, Anerkennung für deren Konzept, auf junge deutsche Spieler zu setzen. Nachdem mit Präsident Corny Littmann die letzte streitbare Person abgetreten ist, Konflikte der Vereinsführung im Nachgang mit den Fans geräuschlos beigelegt wurden, herrscht pure Harmonie.

"Widerlich!", wird sich mancher vom Chaos im eigenen Lieblingsverein genervte HSV-Fan denken. Zur Beruhigung sei ihm gesagt: Die nächste Krise beim Erzrivalen kommt bestimmt. Zumindest sportlich werden für St. Pauli im deutschen Fußball-Oberhaus schwierigere Zeiten nicht zu vermeiden sein. In diesen wird sich zeigen, wie weit es - wo früher Scherbenhaufen das Bild prägten - heute mit der heilen Welt bestellt ist. Wie Verein und Umfeld anno 2010/11 auf eine wirkliche Krisenlage reagieren, weiß niemand. Den Verantwortlichen am Millerntor kann man allerdings nur raten, auch dann ihren erfolgreichen Kurs zu halten.

Einen großen Vorteil gegenüber vielen Konkurrenten hat St. Pauli: Eine Trainerdiskussion steht auch im Fall der Erfolglosigkeit nicht zur Debatte, ein üblicher Brandherd fällt damit weg. Stanislawski genießt hohes Ansehen, intern wie in der Öffentlichkeit. Er allein wird irgendwann bestimmen, wann die Zeit für einen Abschied gekommen ist. Dass er selbst krisenfest ist, hat der Trainer bewiesen. Als es in der Rückrunde der Vorsaison Niederlagen in Serie setzte, drückte Stanislawski die "Reset-Taste", wie er selbst sagte. Maulwürfen auf dem Trainingsplatz riet der Coach damals, sich ein neues Zuhause suchen. Es werde dort laut. Das Resultat: St. Pauli fing sich wieder, eroberte den Aufstiegsplatz zurück und wird nun mit seinen Fans in der Bundesliga für Rabatz sorgen. So viel ist sicher.