Mit eingespielter, gefestigter und dennoch verstärkter Mannschaft soll der Klassenerhalt her - die Chancen stehen gut

Am Anfang war es die pure Vorfreude, für viele Spieler ging mit dem Aufstieg im Mai 2010 ein Lebenstraum in Erfüllung. Die Bundesliga als Ziel einer langen Reise, die in der Regionalliga ihren Anfang genommen hatte. Mit Fabio Morena, Fabian Boll, Florian Lechner, Marcel Eger, Timo Schultz, Florian Bruns, Jan-Philipp Kalla und Benedikt Pliquett stehen acht Spieler im Kader, die Andreas Bergmann noch als Trainer kennen und wissen, wie es ist, auswärts ohne Heimfans bei Nachwuchsmannschaften von Bundesligaklubs anzutreten. Bremen II, Leverkusen II, Mönchengladbach II, Dortmund II, HSV II - noch nicht einmal vier Jahre liegt diese Zeit zurück.

Nun gilt: Streiche Zwei, setze Eins! Bei Liga und Gegnern. Ab sofort geht es gegen die mit Stars bestückten Aushängeschilder dieser Klubs, und der FC St. Pauli tritt an, um den Großen der Fußballrepublik in die Suppe zu spucken. "Wir rocken die Bundesliga", lautete das Versprechen, das die Mannschaft per Banner dem eigenen Anhang nach dem letzten Zweitligaspiel gab.

Trotz des Pokal-Aus in Chemnitz ist die Vorfreude noch spürbar. "Es kribbelt", nicht nur bei Mittelfeldmann Bruns. Doch über die Gänsehaut hat sich ein hartnäckiger Schweißfilm gelegt. Mehr als sieben Wochen Vorbereitung mit zwei Trainingslagern und dem 13 Etappen langen Testspielmarathon haben die 27 Profis in Knochen, Muskeln und Bändern. Regeneration und Ruhepausen wurden von dem um Ex-Spieler Thomas Meggle erweiterten Trainerteam verordnet. Wer sich in Zurückhaltung übte, lernte schnell sich hinten anzustellen. Der Konkurrenzkampf, den Coach Holger Stanislawski und Sportchef Helmut Schulte mit fünf Neuzugängen gezielt auf ein neues Level hoben, diktierte die Schlagzahl.

Königstransfer Gerald Asamoah verfügt über mehr Routine als alle anderen Feldspieler zusammen. Lediglich sieben Akteure können auf echte Bundesligaerfahrung verweisen. Mit Fin Bartels, Moritz Volz, Thomas Kessler und Carlos Zambrano wurde die Mannschaft aber vor allem in der Breite verstärkt. "Einen Konkurrenzkampf in dieser Breite habe ich noch nie erlebt. Alle sind auf einem Niveau", sagt Rouwen Hennings, der sich in der offensiven Mittelfeldreihe mit sieben Konkurrenten um die drei Plätze streitet.

Eine Erkenntnis, die dazu führen wird, dass wöchentlich Nuancen darüber entscheiden, wo der einzelne Spieler die neue Liga erlebt: Spielfeld, Bank, Tribüne. Die Gefahr für den Einzelnen ist gleichzeitig aber auch die Chance des Kollektivs. Auch in der Bundesliga - und gerade dort - wird Stanislawski auf die großen Trümpfe seines offensiv ausgerichteten, homogenen Gefüges setzen: Geschlossenheit, Eintracht, Flexibilität. Einer für alle, alle für einen. Und: Alle sind austauschbar. Eine Regel, deren Ausnahme in vorderster Front zu finden ist. Für Marius Ebbers steht kein adäquater Ersatz bereit. Schafft der Torjäger der vergangenen Saison keine Verbesserung seiner mauen Bundesligaquote oder verletzt er sich, hat Stanislawski ein Problem. Der Angriff ist die Achillesferse beim Aufsteiger.

Was die guten Prognosen auf den Klassenerhalt aber nur leicht abzuschwächen vermag. Die Mannschaft verfügt über ausreichend Potenzial, hat viele entwicklungsfähige Spieler in ihren Reihen und ist gefestigt genug, um in zu erwartenden Schwächephasen nicht die so erfolgreiche Philosophie infrage zu stellen. Dieser FC St. Pauli gehört in die Bundesliga, es bleiben 34 Spieltage für den Nachweis, der die Reise verlängern soll. Stanislawski und Co. scheinen bereit für neue Ziele.