Nach seinem Karriereende bleibt Thomas Meggle beim FC St. Pauli: als Trainer, Identifikationsfigur und Sozialromantiker

Hamburg. Er wirkt zufrieden, lehnt sich zurück und schlürft einen Caffè Latte. Nach 13 Profijahren ist Thomas Meggle mit sich im Reinen. Sein Vertrag läuft in 15 Tagen aus, dann beginnt für den 35-Jährigen das nächste Kapitel beim FC St. Pauli: als Trainer.

Abendblatt:

Herr Meggle, wie fühlt man sich als Fußballrentner?

Thomas Meggle:

Gut. Ich habe kein Fest zum 100. Geburtstag ausgelassen. Dieser Sommer ist für mich wie ein Ehemaligentreffen. Unter dem Strich fühle ich mich auch ein Stück weit erleichtert.

Klingt geradezu, als seien Sie froh, dass es endlich vorbei ist.

Es war eine unglaublich tolle Zeit. Aber als Fußballer darfst du nie die Wahrheit sagen. Das hat sich nun geändert.

Dann erzählen Sie mal.

Sie müssen schon noch fragen.

Stimmt es, dass Sie von Corny Littmann angesprochen wurden, um im November für den Aufsichtsrat zu kandidieren?

Nein. Und ich werde auch nicht kandidieren. Allerdings haben mir mehrere Leute im Verein erzählt, dass ich in irgendwelchen Überlegungen da eine Rolle gespielt haben soll.

Aber dass Sie immer fleißig Zigaretten geraucht haben, stimmt schon, oder?

Damit war ich ja kein Einzelfall. Wir versteckten uns hinterm Mannschaftsbus, im Zimmer von Zeugwart Bubke oder in der Küche des Klubheims.

Sie waren auffällig oft im Klubheim. Wie sehr sind Sie mit dem Verein verbunden?

Das braun-weiße Trikot überzuziehen, hat mich immer mit Stolz erfüllt, weil ich wusste, dass ich es stellvertretend für 20 000 andere trage.

Dennoch haben Sie St. Pauli zweimal verlassen...

...und bin zweimal zurückgekehrt. Gerade die Zeiten bei 1860 München und in Rostock haben mir meine Beziehung zu St. Pauli verdeutlicht. Man entscheidet sich in seinem Leben irgendwann für einen Verein - und dem bleibt man ein Leben lang treu. Was die Klubheimbesuche angeht, kannte ich das nicht anders. Im Breitensport war es ganz normal, dass man nach dem Spiel gemeinsam im Vereinshaus sitzt, Karten spielt und Bier trinkt. So lernst du die Leute und die Werte des Vereins schnell kennen. Die Besonderheit ist, dass du hier in Klubheim und Fanladen Fans hast, mit denen du auf Augenhöhe diskutierst. Gespräche von St. Paulianer zu St. Paulianer, nicht vom Fan zum Idol.

Heute eigentlich unvorstellbar, oder?

Nein, warum denn? Du musst es ja nicht am Freitag vor dem Spiel um 23 Uhr tun und dich hemmungslos betrinken. Mir wurde schnell unterstellt, dass ich immer unterwegs sei.

Waren Sie doch auch.

Ja, okay. Aber nicht vor dem Spiel. Es ist auf jeden Fall auch heute noch möglich, das Vereinsleben als Profi mitzuleben.

Sind Sie ein Sozialromantiker?

Ich denke, jeder trägt irgendwo seine linke Sozialromantik mit sich herum. Ich habe mich mit dem Gedankengut beim FC St. Pauli jedenfalls schnell identifizieren können.

Wie kamen Sie eigentlich in den Norden?

Ich war an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München, hatte ein Probetraining bei St. Pauli hinter mir. Eines Tages kam Stabsfeldwebel Kreis zu mir und sagte aufgeregt: "Da ist ein Anruf für dich. Von Helmut Schulte." Ich bin dann nach Hamburg und hatte nur eine Frage: Wo muss ich unterschreiben?

Trainer war damals Uli Maslo.

Jein, als ich unterschrieb, war er schon wieder weg. Ich habe bei St. Pauli insgesamt acht Trainer erlebt.

Wie man hört bleiben Sie dem FC St. Pauli erhalten. Als Trainer?

Danach sieht es aus, ja.

Ihr Abschied gegen Glasgow war bewegend. Die Fans skandierten Fußballgott.

Ein schöner Moment. Aber ich hatte mich schon Wochen zuvor vom aktiven Fußball verabschiedet. Kinder und Frau lagen im Bett, ich konnte nicht schlafen. Da habe ich ein paar Videos herausgeholt und mir im Internet alte Spiele angeschaut. Da hörst du dann "You'll Never Walk Alone" und hast sofort die Bilder parat. Alles wird wieder erlebbar und erfahrbar. Da wurden die Augen glasig, und ich hatte einen Kloß im Hals.

Dann waren Sie beim jüngsten Aufstieg ja gedanklich schon kein Profi mehr.

Ich habe mich schon noch als vollwertiges Mitglied dieser Mannschaft gesehen und versucht, das Jahr ganz bewusst mitzunehmen. Ich bin mit aufgestiegen.

Was trauen Sie der Mannschaft noch zu?

Es ist die beste der letzten 13 Jahre. Ich habe es in diesem Team genossen, auch weil du dich mit vielen mal über andere Themen unterhalten kannst.

Und sportlich?

Die Mannschaft hat großes Entwicklungspotenzial. Leute wie Gunesch, Naki und Kruse sind aufgefordert, jetzt den nächsten Schritt zu machen. Wenn wir auf den Schlüsselpositionen von Verletzungen verschont bleiben, ist sicher mehr drin als der Klassenerhalt.

Klingt ambitioniert.

Das sind wir ja auch immer gewesen. Glauben Sie ja nicht, dass die in der Öffentlichkeit geäußerten Ziele immer mit den internen übereinstimmen.

Wir wurden belogen?

Das sagte ich ja bereits. Unser Ziel 2007 war der direkte Durchmarsch von der Regionalliga in die Bundesliga.