Für viele Beobachter ist Matthias Lehmann der derzeit beste Spieler der Zweiten Liga. Im Interview spricht er über Glaube und Luxus.

Hamburg. Trainer Holger Stanislawski nennt ihn den Denker und Lenker des Spiels, den Erfolgsgaranten beim Aufstiegskandidaten FC St. Pauli. Für viele Beobachter ist Matthias Lehmann sogar der derzeit beste Spieler der Zweiten Liga. Der 26-Jährige hat die meisten Ballkontakte, hervorragende Zweikampfwerte und glänzt als Vorbereiter und Torschütze. Zum Abendblatt-Interview kommt er in Strickjacke und Wollmütze, vor der Tür steht der Sportwagen des Mittelfeldspielers.

Abendblatt: Herr Lehmann, sportlich sind Sie in Hamburg längst angekommen, warum sind Sie denn immer noch mit Aachener Kennzeichen unterwegs?

Matthias Lehmann: Ich habe erst seit einer Woche endlich eine eigene Wohnung in Eimsbüttel, bin bisher zwischen verschiedenen Hotels hin- und hergependelt. Bei dem Auto läuft außerdem der Leasingvertrag aus, da würde es sich nicht lohnen, es noch umzumelden.

Abendblatt: Wie wichtig sind Ihnen allgemein materielle Dinge?

Lehmann: Ich bin kein Typ, der jede Woche 2000 Euro für Klamotten ausgibt, gönne mir eben ein schnelles Auto und das ist es dann auch im Wesentlichen. Ansonsten kaufe ich wie jeder andere bei Lidl, Aldi oder Edeka und nicht in irgendwelchen Nobelläden.

Abendblatt: Fußballerisch wollen Sie aber zur Eliteklasse gehören, wie nah fühlen Sie sich an der Bundesliga?

Lehmann: Das ist schwer zu sagen. Im Moment stehen wir zu Recht richtig gut da. Wir haben es jetzt selbst in der Hand, den zweiten Platz zu verteidigen. Unser Ziel ist es, jede Woche drei Punkte zu holen. Und wenn am Ende der Aufstieg steht, sagen wir nicht, dass wir in der zweiten Liga bleiben wollen.

Abendblatt: Hätte die Mannschaft überhaupt das Potenzial für die Erste Liga oder müssten diverse Neuzugänge her?

Lehmann: Das zu beurteilen, ist zum Glück nicht die Aufgabe des Spielers.

Abendblatt: Okay, bleiben wir bei dem, was sie selbst beeinflussen können. Wohin führt Ihr Weg, sollte St. Pauli nicht aufsteigen?

Lehmann: Ich bin positiv eingestellt und habe deshalb noch keinen Gedanken daran verschwendet, was passiert, wenn wir nicht aufsteigen. Natürlich ist die Bundesliga wie bei jedem anderen Spieler auch mein großes zu Ziel. Ob es mit St. Pauli dafür reicht, sehen wir im Mai. Es ist also noch viel Zeit.

Abendblatt: Im Moment werden Sie mit Lob überhäuft, anderen Vereinen dürften Ihre Leistungen nicht verborgen geblieben sein. Hat schon jemand sein Interesse angemeldet?

Lehmann: Ich habe noch keinen Anruf bekommen, es hat auch niemand bei mir an die Tür geklopft. Ich habe ohnehin die klare Absprache mit meinem Berater, dass ich von so etwas ferngehalten werden möchte. Ich will mich voll auf die Spiele konzentrieren. Außerdem habe ich hier einen laufenden Zweijahresvertrag und hinter dem Rücken zu sondieren, was sonst möglich ist, wäre eh nicht meine Art.

Abendblatt: Was bietet Ihnen der FC St. Pauli, das keiner Ihrer vorigen Klubs hatte?

Lehmann: Eine positive Familienstimmung im ganzen Verein. Das ist einfach phänomenal. Es ist wie in jedem anderen Beruf: Wenn das Verhältnis zu den Kollegen, zu den Vorgesetzen gut ist, fühlt man sicher besser und kann eine bessere Leistung bringen. Für mich persönlich ist es auch wichtig, dass mir hier nicht wie in München oder Aachen das Image des Partylöwen nachhängt, obwohl ich es damals gar nicht war. Hier konnte ich bei null anfangen.

Abendblatt: Sind Sie in Wahrheit ein sensibler Mensch?

Lehmann: Jeder braucht ein gutes Umfeld. Niemand kann gute Leistung bringen, wenn einen der Chef hasst. Es gibt auch hier mal auf den Deckel, wenn wir schlecht spielen. Aber die Grundstimmung ist einfach positiv.

Abendblatt: Beim Einlaufen richten Sie ihren Blick gen Himmel. Von wem erhoffen Sie sich Unterstützung?

Lehmann: Ich spreche verstorbene Angehörige an, weiß dass sie mir immer zuschauen. Vor dem Spiele versuche ich, mich noch mal zu konzentrieren, denke in diesen Momenten auch an Freunde, Familie, Leute, die mir wichtig sind.

Abendblatt: Sind Sie gläubig?

Lehmann: Ich glaube an Gott, bin aber keiner, der jetzt jeden Sonntag in die Kirche geht, um mir wie ein Konfirmand den Stempel abzuholen, dass ich da war. Ich habe meinen Glauben für mich, er ist mit Sicherheit ein wichtiger Punkt, aus dem ich meine Kraft ziehe. Das gilt aber auch für meine Familie, allgemein das Umfeld.

Abendblatt: Dann dürfte Weihnachten für Sie einen hohen Stellenwert haben.

Lehmann: Ich freue mich auf jeden Fall darauf. Es ist schön mit der Familie zusammenzukommen. Dieses Jahr werden wir wahrscheinlich sogar hier in Hamburg sein. Bis das soweit ist, wollen wir aber erst noch die nächsten drei Spiele gewinnen.

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