Hamburg. Die Kritik beschränkte sich diesmal auf Sachthemen. "Ich bitte euch, die Thermobelege künftig zu kopieren", mahnten die Kassenprüfer das Präsidium. Die Jahreshauptversammlung des FC St. Pauli geriet im Saal vier des CCH zur kuscheligen Lobhudelei mit Ehrungen, Danksagungen und Schulterklopfen. "Es geht uns bestens: sportlich, wirtschaftlich und im Verein", freute sich Corny Littmann und erntete von den 459 Mitgliedern Applaus. Der Präsident hatte die Veranstaltung um 18.36 Uhr eröffnet und bereits 145 Minuten später mit einem dreifachen "Hipp, Hipp, Hurra" beendet.
Nicht der einzige rekordverdächtige Wert, den der Klub momentan vorweisen kann. Nach Jahren unter dem Damoklesschwert der Insolvenz ist der FC St. Pauli wirtschaftlich gesundet, die Bilanz weist ein Eigenkapital von 658 023,71 Euro aus. Der Verein, der sportlich an das Tor zur Bundesliga klopft, erwirtschaftete im am 30. Juni 2009 abgelaufenen Geschäftsjahr einen Gewinn von 1,1 Millionen Euro.
Selbst der Aufsichtsrat, in der Vergangenheit stets kritischer Gegenspieler des Präsidiums, stellte die hervorragende Entwicklung des Klubs heraus. Michael Burmester berichtete von einer deutlich verbesserten Kommunikation zwischen den Gremien: "Die Zusammenarbeit mit dem Präsidium ist positiv. Wenn es Verfehlungen gab, dann nur auf Nebenkriegsschauplätzen." Allerdings ließ es sich der Vorsitzende, der einen Ausbau des Trainingsgeländes ankündigte, nicht nehmen, auf Gefahren hinzuweisen: "Gerade beim Stadionbau sollten wir uns an sozialen Werten und nicht nur an den marktwirtschaftlichen Erfordernissen orientieren." Augenmaß, das Burmester vom Präsidium generell erwartet: "Die Verbindlichkeiten sind durch den Stadionneubau hoch wie nie. Ein Fehler könnte fatale Folgen haben."
Negative Konsequenzen hat aktuell nur die Fanrandale bei den Spielen gegen Cottbus und in Rostock. Das DFB-Sportgericht verurteilte St. Pauli zu 20 000 Euro Strafe. Zudem gibt es im Wiederholungsfall eine Platzsperre oder ein Spiel vor leeren Rängen, wie Littmann zum Schrecken vieler berichtete. Es war der fade Beigeschmack an einem Abend der großen Harmonie. Auch die auf dem Fankongress erarbeiteten und deutschlandweit einmaligen Leitlinien des FC St. Pauli (Toleranz, Respekt, gesellschaftliche Verantwortung) wurden vorbehaltlos verabschiedet. "Was ist bloß mit diesem Verein los?", fragte sich nicht nur Sicherheitschef Sven Brux mit einem Lächeln.
(bhe./dst/lwö)