Kombinationsfußball vom Reißbrett, eine perfekte Transferpolitik und Disziplin in der Defensive als Erfolgsgaranten.

Hamburg. Ausgerechnet Holger Stanislawski, als Trainer hauptverantwortlich für die in Perfektion vorgetragene Ballzirkulation auf dem Platz, leistete sich einen Fehl-Pass. Der 39-Jährige war vor dem Abflug nach Karlsruhe am Donnerstag später als geplant zum Abschlusstraining erschienen, weil er seinen Personalausweis zu Hause in Rahlstedt vergessen hatte.

Einer der wenigen, wenngleich folgenlosen und leicht zu verschmerzenden Makel im Passspiel des FC St. Pauli an den ersten vier Saisonspieltagen. Der Anhang berauscht sich am sehenswerten Kombinationsfußball, die Konkurrenz staunt und klatscht anerkennend Applaus. Die Hamburger gehen als Spitzenreiter in die zweiwöchige Länderspielpause. Zehn Punkte und 13:3 Tore bedeuten den Bestwert unter den 56 Profiklubs. Die Zwischenbilanz könnte kaum besser ausfallen, auch weil das Passspiel in einer Geschwindigkeit und Genauigkeit vorgetragen wird, dass die bisherigen Gegner oft nur hinterherschauen konnten. Die Automatismen greifen. Alles passt.

"Wir haben in diesem Bereich während der Vorbereitung viel gearbeitet. Das ist jetzt das Ergebnis. Wir kombinieren gut und schnell am Boden", erklärt Stanislawski. Deniz Naki, einer der technisch versiertesten Akteure im Kader, pflichtet ihm bei: "Unser Passspiel funktioniert richtig, richtig gut." Naki, Matthias Lehmann, Fabian Boll, Florian Bruns und Charles Takyi lassen den Ball wie eine Flipperkugel durchs Mittelfeld prallen, ohne dabei das Zufallsprinzip zu bemühen. Auch Sturmspitze Marius Ebbers und die Außenverteidiger Davidson Drobo-Ampem und Carsten Rothenbach binden sich ein. Alle passen, alles passt.

Was zumindest zu diesem frühen Zeitpunkt verwundert. Mit Naki, Lehmann, Takyi und Innenverteidiger Markus Thorandt stehen vier Neuzugänge in der Startelf, doch statt gängiger Eingewöhnungsprobleme herrscht auf und abseits des Platzes die große Harmonie Der FC St. Pauli, ein Kandidat für den Integrationspreis. Stanislawski und Sportchef Helmut Schulte haben die Mannschaft bestmöglich verstärkt, zumal die fünfte Neuerwerbung, Max Kruse, bisher lediglich von einer Oberschenkelverletzung am Mitwirken gehindert werden konnte. Alles passt.

Auch in der Defensivbewegung, wo nun sogar Ebbers verinnerlicht hat, wie wichtig die Arbeit gegen den Ball für den Erfolg ist. Den 13 Treffern stehen drei Gegentore gegenüber. Zum Vergleich: Vor einem Jahr waren es zum gleichen Zeitpunkt zwölf. Seit 49 Spielen - nationaler Rekord - gab es kein 0:0 mehr. Doch nun stimmt auch die Balance, die Tore fallen vorn deutlich häufiger als hinten. Alles passt - und das, obwohl mit Gegnern wie Alemannia Aachen (5:0), MSV Duisburg (2:2) und Karlsruher SC (4:0) schon gegen drei Aufstiegskandidaten gespielt wurde. Gegen zwei sogar auf fremdem Platz. Erstaunlich, dass St. Pauli (fünf Auswärtssiege in den vergangenen zwei Jahren) ausgerechnet in Aachen und Karlsruhe für echte Paukenschläge sorgte und ohne Gegentor blieb. "Ein riesiges Lob an unsere Defensive. Die lässt kaum etwas zu", bemerkt Ebbers, der von Abwehrchef Fabio Morena per verbalem Doppelpass steil geschickt wird: "Unsere Verteidigung fängt vorne an. Marius hat das schon in Aachen und gegen Duisburg sehr gut gemacht." Die Harmonie ist spürbar, die Stimmung gut, alles passt. Und das war bereits vor dem Traumstart deutlich.

Selbst die erhöhte Konkurrenzsituation, die ehemalige Stammkräfte wie Ralph Gunesch, Marcel Eger, Jan-Philipp Kalla, Timo Schultz oder auch den formstarken Rouwen Hennings auf die Bank gespült hat, vermag den Kader nicht zu spalten. Positiv: St. Pauli verfügt über echte Alternativen. Der Ausfall von Kruse, bester Spieler der Vorbereitung, wurde ebenso kompensiert wie die Gelb-Rot-Sperre Takyis in Karlsruhe. Bis heute um 24 Uhr könnte St. Pauli, spätestens seit dem Wochenende ein echter Aufstiegskandidat, noch personell nachbessern, um so richtig anzugreifen. "Wozu?", fragt Sportchef Schulte, "wir haben genau die Spieler, die wir brauchen." Alles passt.

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