Pauli-Coach Holger Stanislawski erinnert sich an das erste Treffen mit Neuzugang Matthias Lehmann, der von Alemannia Aachen kam.

Pichl. Fast vier Stunden saßen sie im East-Hotel bei der Reeperbahn. "Das war ein richtig gutes, ausführliches und ehrliches Vieraugengespräch", erinnert sich Trainer Holger Stanislawski an das erste persönliche Zusammentreffen mit einem der großen Gewinner des Trainingslagers. Neuzugang Matthias Lehmann, der von Alemannia Aachen zum FC St. Pauli wechselte und bis 2011 unterschrieben hat. Stanislawski: "Matze hat mich damals schon komplett überzeugt."

Das Treffen im Mai hatte allerdings nicht nur freundschaftlichen Charakter, es diente auch als Risikominimierung. Denn aus Aachen waren kurz vor Saisonende, als feststand, dass Lehmann wechseln müsste, Stimmen laut geworden, die nicht viel Gutes berichteten. "Davon habe ich jetzt im Nachhinein auch gehört", erzählt der Gescholtene, "mir wurden ganz schön die Augen geöffnet. Einstige Freunde haben sich geoutet. Da sind Dinge vorgefallen, die macht man einfach nicht", so Lehmann verärgert.

Immerhin hatte der 26-Jährige drei Jahre bei den Schwarz-Gelben gespielt, sie trotz Abstiegs aus der Ersten Liga und drastischer Gehaltseinbußen nicht verlassen und wurde am Ende sogar Mannschaftskapitän. "Ich hatte eigentlich keine schlechte Zeit", so der Mittelfeldspieler, "aber vielleicht war da viel Schein und weniger Sein, als ich dachte."

Als Ursache des Zerwürfnisses macht Lehmann die letzten drei Monate der Saison aus. Als die Gespräche mit Aachen über eine Vertragsverlängerung ins Stocken gerieten, stellte sich beim "Sechser" Frust ein, mit Trainer Jürgen Seeberger überwarf sich Lehmann. "Ich habe bis Mitte Mai nichts vom Verein gehört. Plötzlich merkte ich, dass mir keine Wertschätzung entgegengebracht wurde. Nach drei intensiven Jahren eine wirklich bittere Erkenntnis."

Aber das große Glück des FC St. Pauli, der sich so die Dienste des ehemaligen U-21-Nationalspielers sichern konnte. Eines Spielers, dem eine große Zukunft vorausgesagt wurde. Alle U-Nationalmannschaften durchlaufend, wechselte der Freund schneller Autos 2003 für 25 000 Euro von VfB Stuttgart II zu 1860 München in die Bundesliga und erspielte sich schnell einen Stammplatz. Seitdem gab es kaum Siege in seinen 37 Bundesligaspielen, dafür aber zwei Abstiege mit 1860 München und eben Aachen. "Ich hatte leider das Pech, immer zum falschen Zeitpunkt bei der falschen Mannschaft zu sein."

Jetzt hat der 1,77-Meter-Mann sein Glück gefunden. Im Trainingslager konnte der Freund eintätowierter Glaubensbekenntnisse - die Wade ziert ein Kirchenkreuz, auf dem Arm steht "Ich glaube an Gott und Familie" auf Latein - überzeugen. Gegen Stoke dominierte er das Mittelfeld und wirkte wie ein Spielgestalter. Lehmann scheint auf der Sechserposition gesetzt zu sein. "Matze präsentiert sich sehr spielfreudig, ist sehr konzentriert", lobt Stanislawski den technisch versierten Rechtsfuß.

Der will von Stammplätzen jedoch noch nichts wissen: "Wichtiger ist, dass mir Fußball hier wieder Spaß macht, die Mannschaft riesiges Potenzial hat. Hier sind die Leute ehrlich, hier wird mal ehrlich gepöbelt - aber jeder weiß immer, woran er ist. Hier sollte es möglich sein, die 37 Bundesligaspiele aufzustocken."

Zu den wiedergewählten Timo Schultz, Carsten Rothenbach, Fabio Morena und Mathias Hain wurde Fabian Boll für den Langzeitverletzten Thomas Meggle in den Mannschaftsrat berufen. (sm)

Nutzen Sie unseren St. Pauli SMS-Dienst und seien Sie immer auf dem Laufenden bei News und Ergebnissen rund um den Kultverein.