Spiel in Heidenheim

Der HSV im Kampf gegen die lauten Nebengeräusche

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HSV-Trainer Tim Walter: „Wir haben die Jungs hart bestraft“

HSV-Trainer Tim Walter: „Wir haben die Jungs hart bestraft“

Hamburgs Coach spricht vor dem Topspiel in Heidenheim über die folgenschwere Autofahrt von Jean-Luc Dompé und William Mikelbrencis.

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Nach einer turbulenten Woche will der HSV am Sonnabend in Heidenheim wieder für sportliche Furore sorgen – mit Unfall-Akteur Dompé?

Hamburg.  Die Frage, die die meisten HSV-Fans am Freitagmittag interessierte, war tatsächlich eine sportliche. Trotz allen Wirbels um den Doping-Fall Mario Vuskovic und den Verkehrsunfall von Jean-Luc Dompé wollten die Besucher im Volkspark vor allem wissen, was denn nun mit Jonas Mefferts Knie und Jonas Davids Hüfte sei, nachdem beide zwei Tage lang nicht mit der Mannschaft trainieren konnten. Die Antwort erhielten die Trainingsgäste um 13 Uhr: Meffert gab grünes Licht, David nicht. Mit dem Mittelfeldstrategen, aber ohne den Innenverteidiger reiste der HSV am Nachmittag per Chartermaschine zum Flugplatz Schwäbisch Hall und von dort weiter nach Heidenheim.

„Wir sind so breit aufgestellt, dass wir die Dinge lösen können“, sagte Trainer Tim Walter noch vor der Abreise zum Zweitliga-Topspiel zwischen dem Tabellendritten 1. FC Heidenheim und dem Tabellenzweiten HSV an diesem Sonnabend (20.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de). Es ist zudem das Duell der heimstärksten Mannschaft (Heidenheim) und der besten Auswärtsmannschaft (HSV). Mit einem Heimsieg könnte Heidenheim (36 Punkte) bis auf einen Zähler an den HSV (40 Punkte) heranrücken. Die Hamburger, die in vier Versuchen noch nie in der Voith-Arena auf der schwäbischen Ostalb gewinnen konnten, würden den Verfolger mit einem Sieg auf sieben Punkte distanzieren. Aufstiegskampf pur.

HSV: Walter kritisiert Vuskovic-Prozess

Die Vorbereitung auf dieses Spitzenspiel hätte sich der HSV-Trainer aber sicher anders vorgestellt. Auch bei der wöchentlichen Frag-den-Walter-Runde ging es am Freitag weniger um die Laufqualitäten der Heidenheimer oder die Passsicherheit der Hamburger, sondern vielmehr um die Nebengeräusche rund um den Volkspark.

Walter aber fand für alle Fälle deutliche Worte. Nachdem auch der zweite Verhandlungstag um den positiven (oder falsch-positiven?) Dopingtest von Mario Vuskovic vor dem DFB-Sportgericht keine Klarheit brachte, äußerte Walter Kritik am gesamten Prozess, der sich weiter in die Länge zieht. „Das gab es so auch noch nicht und wirft noch mehr Fragen auf. Da ist auch nicht alles so professionell, wie man sich das vorstellt“, sagte der 47-Jährige, der mit dem weiterhin vorläufig gesperrten Vuskovic in Kontakt steht.

Montero vor Pflichtspiel-Debüt für den HSV

„Es ist ein schwieriger Fall, aber grundsätzlich stehen wir zu Mario. Er ist unser Spieler. Wir tun alles dafür, dass das Richtige entschieden wird und die Wahrheit ans Licht kommt. Wenn alles so klar wäre, wie es zu sein scheint, wäre ja schon ein Urteil gefällt. Deswegen gibt es berechtigte Zweifel“, sagte Walter.

Ob und wann Vuskovic seinem Trainer wieder zur Verfügung steht, ist weiter völlig offen. In Heidenheim wird ihn aufgrund des David-Ausfalls der im Winter verpflichtete Francisco „Javi“ Montero ersetzen. Der 24 Jahre alte Spanier macht in der Innenverteidigung an der Seite von Kapitän Sebastian Schonlau sein erstes Pflichtspiel überhaupt für den HSV.

Dompé nach Autounfall wohl in der Startelf

Ebenfalls von Beginn an spielen dürfte Jean-Luc Dompé. Der Franzose hatte sich am Montagabend auf St. Pauli mit einem Bekannten sowie Teamkollege William Mikelbrencis ein mutmaßlich illegales Autorennen geliefert und dabei einen schweren Unfall verursacht, als er die Kontrolle über seinen BMW verlor und in eine Bushaltestelle krachte. Anschließend flüchteten alle drei im Mercedes von Mikelbrencis vom Unfallort.

Insbesondere der letzte Punkt enttäuschte den Trainer. „Ich versuche den Jungs beizubringen, zu Fehlern zu stehen. Auch auf dem Platz. Diese Umgangsform haben wir auch in der Kabine“, sagte Walter und wiederholte die Worte, die schon Sportvorstand Jonas Boldt gewählt hatte. „Unser Vorstand hat unmissverständlich klargemacht, dass das ein Vergehen ist, das wir so nicht akzeptieren. Wir müssen abwarten, was die Gerichte entscheiden.“

HSV: Sonny Kittel ist weiter enttäuscht

Nach der hohen Geldstrafe, seiner Einsicht und der öffentlichen Entschuldigung habe Dompé aber nun die Chance, auf dem Platz Wiedergutmachung zu betreiben. „Wenn er sich sportlich qualifiziert, darf er am Wochenende auch ran“, sagte Walter und deutete damit an, dass Dompé in Heidenheim wieder wirbeln wird. Zumal sein potenzieller Vertreter Sonny Kittel nach dem geplatzten Winterwechsel zum saudi-arabischen Club Al-Fateh SC noch eine Enttäuschung mit sich herumträgt, diese aber mehr und mehr ablegt.

„Er kommt jetzt mit der Situation wieder klar und hat dieser Woche gut trainiert. Ich hoffe, dass es jetzt wieder der alte Sonny ist“, sagte Walter, der froh war, dass er während des 12:45 Minuten langen Pressegesprächs auch ein wenig über Fußball sprechen konnte. „Es ist in Hamburg etwas anders. Damit müssen wir leben.“

Heidenheims Heimbilanz ist „gigantisch“

Ganz anders ist das in Heidenheim. In seinem 15. Jahr beim FCH steht Trainer Frank Schmidt nach 19 Spieltagen so gut da wie noch nie in den vergangenen Zweitligajahren. Schmidt kam am Freitag aus dem Schwärmen über die bisherige Saisonleistung seines Clubs gar nicht heraus.

„36 Punkte nach 19 Spieltagen zu haben ist außergewöhnlich. 2,55 Punkte im Schnitt in neun Heimspielen ist gigantisch“, sagte Schmidt. Dabei habe der HSV noch immer mehr Zuschauer als Heidenheim Einwohner. Dafür hat der FCH mit Tim Kleindienst (zehn Tore) den zweiterfolgreichsten Stürmer der Liga in seinen Reihen. Erfolgreicher war bislang nur der frühere Heidenheimer Robert Glatzel vom HSV (13 Tore).

Am Sonnabend zählen all diese Zahlenspiele nicht. Nach einer der turbulentesten Wochen überhaupt kann der HSV mit einem Sieg wieder die volle Aufmerksamkeit auf den Sport lenken. Auch wenn die vielen Nebengeräusche damit nur für einen Moment verstummen würden.

FCH: Müller – Busch, Mainka, Siersleben, Föhrenbach – Maloney – Sessa, Schöppner, Beste – Thomalla – Kleindienst.HSV: Heuer Fernandes – Heyer, Schonlau, Montero, Muheim – Meffert – Reis, Benes – Jatta, Glatzel, Dompé.

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